Spezialitäten-Theater- und Zirkusgebäude.
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Ursprünglich war der Bau weniger als Produktionssaal denn als Vergnügungsetablissement
großen Stiles für Festlichkeiten, Bälle und Konzerte gedacht. Vom Eingangsflur gelangt man
an dem Kassenschalter vorüber über eine zweiarmige Stiege nach abwärts in einen Vorraum,
der die Garderoben enthält. Daran schließt sich der an drei Seiten von Nebensälen umgebene
60 cm tiefer liegende Hauptsaal. Ungefähr 600 Personen finden in diesem 30 m langen, 18 m
breiten und 16 m hohen Saal Platz, während die Nebensäle, die sich in großen Bögen gegen
den Hauptsaal öffnen, für Fremdenlogen, Estradesitze und Entreeplätze ausgenützt sind. Der
Eingangswand gegenüber lag früher ein Wintergarten, der jedoch später infolge des Bühnen
einbaues aufgelassen wurde. Zwei Stiegenanlagen, seitlich von der Bühne, führen zu dem über
dem ehemaligen Wintergarten gelegenen Galeriesaal, von dem man zu einer den großen Saal
auf drei Seiten umgebenden Bogengalerie gelangt. Über dem schmäleren der beiden Nebensäle
liegt in gleicher Höhe mit den Logen ein weiterer Saal. Die architektonische Ausgestaltung des
Saales entlehnt ihre Formen dem Barockstil, während die Außenseite der ganzen Häusergruppe
im Charakter der deutschen Renaissance gehalten ist. 1 )
Das Apollo-Variété, VI., Gumpendorferstraße (Abb. 502 und 505).
Im Jahre 1904 von dem Architekten Ed. Prandl erbaut, vereinigt die Gebäudeanlage des
Apollotheaters das Vergnügungsetablissement, ein Hotel und drei Zinshäuser in sich. Im
Inneren der eine Eckparzelle einnehmenden Häusergruppe liegt das Vergnügungsetablissement,
das an den Gassenseiten von Wohntrakten umschlossen wird, die in den oberen Geschossen
auch teilweise den Raum über dem Zuschauerraum in Anspruch nehmen. Etwas tiefer als das
Niveau des an der Ecke befindlichen Vestibüls liegt das Parterre des Zuschauerraumes mit
720 Sitzplätzen und 10 Ausgängen. Vom Kassenvestibül gelangt man über eine 4 m breite
Treppe, unter welcher die Garderoben für das Parterre Platz finden, zu dem ersten Range, der,
zwischen Parterre und erstem Stocke des Gebäudes liegend, zwölf Logen und 315 Sitzplätze
aufweist. Den fast gleichen Fassungsraum bietet auch der in der Höhe des ersten Stockwerkes
des Gebäudes befindliche zweite Rang, den man über zwei, gleichfalls von der Eingangshalle
ausgehende Stiegen erreicht. Die Bühne ist bei einer Breite von 14 m 15 m tief und 19 m
hoch. Nebenräume für das Vergnügungsetablissement, Magazine und Maschinenanlagen finden
im Souterrain Platz. Die Umrahmung der Bühnenöffnung ist in Monier-Konstruktion durch
geführt. Da ein Teil des Raumes über dem Zuschauerraume für Wohnzwecke ausgenützt wurde,
ruhen die Hofmauern der Wohntrakte auf 2 m hohen, genieteten Kastenträgern von 21 m Spann
weite. Für die architektonische und reiche dekorative Durchbildung des Inneren fanden Barock
motive in freier Auffassung Verwendung, während sich das Äußere von historischer Stiltradition
noch weiter entfernt. 2 )
Zirkus Renz, II., Zirkusgasse 44 (Abb. 503).
Als erste der ständigen Zirkusanlagen überhaupt wurde der Zirkus im Aufträge E. Renz'
1853 von dem Architekten K. May und dem Baumeister F. Schebek errichtet. Massive Außen
mauern umschlossen im Zwölfeck einen Raum von ungefähr 40 m Durchmesser; der Einbau
der Sitzreihen und die Dachkonstruktion war durchwegs von Holz. An der Straßenseite eine
Unterfahrt und an der Rückseite ein langgestrecktes Stallgebäude sowie zwei seitliche Stiegen
anlagen mußten den Bedürfnissen des Betriebes genügen. Kurz nach dem Ringtheaterbrande
fanden im Jahre 1883 durchgreifende bauliche Umänderungen unter der Leitung des Architekten
O. Laske statt. Das Stallgebäude allein blieb unberührt; während die übrigen Teile nach außen
und innen völlig verändert wurden. Die ehemalige Außenmauer wurde erhöht und zur Innen
mauer eines den ganzen Zirkus umschließenden, L90 m breiten Verbindungsganges, der nach außen
durch eine neue, höhere Umfassungsmauer abgeschlossen wurde. Die Nebenräume für das
Publikum erfuhren durch die Anlage eines geräumigen Kassenvestibüls, einer Konditorei, von
Aborten und Garderoben eine bedeutende Vergrößerung. Vier neue Stiegenanlagen für den
ersten und zweiten Rang, ferner an der Stelle der alten Treppen zwei Notstiegen wurden
für die Erhöhung der Sicherheit der Besucher errichtet. Für die Ausgestaltung des Inneren
mußte in ausgedehntem Maße von Eisenkonstruktionen Gebrauch gemacht werden, auch der
Dachstuhl ist in Eisen ausgeführt. Im ersten Stocke liegt über der Eingangshalle ein Ballett
saal und daran anschließend die stattliche Hofloge mit eigener Treppe. Die Manege mißt
J ) Wiener Bauindustrie-Zeitung. 1899.
2 ) Der Bautechniker. 1904.