Katholische Kirchen des 17. und 18. Jahrhunderts.
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denen ornamentierten Pilaster, wie sie vor allem
die Dominikaner-, Paulaner- und Serviten-
kirche besitzen, wird von den ähnlichen De
korationen von S. Satiro in Mailand und von
der Certosa von Pavia den Ausgang nehmen und bei den
Serviten wohl auch nach der Ursache des Vorhanden
seins kriegerischer Embleme fragen müssen. Der franzö
sischen Richtung, Berain vor allem, gehören schon die
einschlägigen Ornamente der Peterskirche an. Bei der
Würdigung der Stuckmarmorverzierungen wird außer italie
nischen Beispielen auch ein Jean Lepautre mit seinen Er
findungen zu Rate zu ziehen sein. Frappierend wirkt beim
ersten Anblick die plastische Dekoration des Chores der
Michaelerkirche. Sie ist gediegenes Louis XVI. und im
Grunde nichts anderes als ein Nachklang der von jenem
französischen Meister angeschlagenen Akkorde.
Abb. 95.
Stiftskirche
im VII. Be
zirke.
Möglich, daß bei den wenigen Kirchen, deren Ver
wandtschaftsverhältnis zu bereits vorhandenen wir aufge
zeigt, ein den „Wiener Künstlerfamilien“ meist wälschen
Ursprunges angehöriger simpler Maurermeister als Urheber
anzunehmen ist. Bei der überwiegenden Mehrzahl, und
zwar gerade bei den bedeutendsten war es wohl auch
jeweilig ein Ausländer, aber einer, der den in der ewigen
Stadt zu führenden Geistern emporgewachsenen lombar
dischen Meistern, der den großen Architekten der nieder
ländischen Städte in seinem künstlerischen Glaubensbe
kenntnisse und vielleicht direkt als Schüler nahe stand.
Wie das Beispiel der Kirche von Monserrato beweist,
schufen sich die Wiener Ordensniederlassungen ihre Gottes
häuser, sei es durch einen „kunstsinnigen Klosterbruder“,
sei es durch den Hofarchitekten des Herrschers, der sie
gestiftet, nach dem Ebenbilde einer ihrer „Mutterkirchen“.
Welche Beziehungen hatte der große Praktiker und Theo
retiker Joachim von Sandrart mit den Schotten und mit
den Jesuiten Am Hof, für welche er Altarblätter ausführte?
Anfänglich dominierte in Wien die deutsch-nieder
ländische Spätrenaissance, ausgehend von den Dietterlin,
de Vriendt u. a. Denn wiewohl die Grundrisse der frühe
sten Kirchen des 17. Jahrhunderts auf italienische Muster
weisen, so belehren uns doch die Fassaden, daß zwi
schen diesen Mustern und unseren Wiener Bauten noch
niederländische Mittelglieder anzunehmen sind. Aber schon
mit der Paulaner-, mit der Rochuskirche setzt die römische
Schule ein und von nun an folgt der Wiener Kirchenbau
Schritt für Schritt und in, wie man sich überzeugen kann,
verhältnismäßig kurzen Zeitdifferenzen der lombardisch
römischen Spätrenaissance, den Werken der Domcnico
Fontana, Martino Lunghi, Carlo Maderna und ihrer Tra
banten und Satelliten. Die niederländische Richtung wird
jedoch durch dieselbe niemals ganz und gar verdrängt.
Sie bleibt maßgebend in der schlanken dreigeschossigen
Bildung der glatten Fassaden; sie drückt den Anläufen,
welche das oberste Geschoß mit dem mittleren verbinden,
ihr charakteristisches Merkmal auf; sie hat uns in den
Doppeltürmen, in den Ausklängen der Fassade in einen
Turm und in den Formen der überwiegenden Mehrzahl