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Volltext: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts : ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Band 2: Hochbau und Architektur, Plastik und Kunstsammlungen

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Gebäude für Kultuszwecke. 
Dieser Kirche in der Entstehungszeit am nächsten steht die 
Votiv-(Heilands-)Kirche (Abb. 100, 120 und Tafel V) 1 ), 
die zum Gedächtnis an die glückliche Rettung des Kaisers Franz Josef aus drohender Lebens 
gefahr gegründet und in den Jahren 1856—1879 durch Heinrich von Ferstel erbaut wurde. 
Aus dem zur Erlangung von Plänen für diesen Bau im Jahre 1854 ausgeschriebenen inter 
nationalen Wettbewerb ging der 25jährige Ferstel als Sieger über 74 Mitbewerber hervor, 
errang nicht nur den ersten Preis von 1000 Dukaten, sondern auch die Ausführung, bei der 
ihm bis 1871 der Bau-und Steinmetzmeister Kranner, ein tüchtiger Praktiker, zur Seite stand. 
Die Einweihung des Domes fand am 24. April 1879 zur Feier der silbernen Hochzeit des 
Kaiserpaares statt. 
Die Kirche ist eine dreischiffige, kreuzförmige Gewölbbasilika, mit Vn'Chorschluß, Chor 
umgang und Kapellenkranz, im Langhaus einbezogenes Strebesystem, wodurch beiderseits je 
vier platt geschlossene Kapellen entstehen. Das Querhaus einschiffig, die Arme platt geschlossen 
mit je zwei flankierenden Kapellen und Treppentürmchen sowie offener Vorhalle; an der 
Südseite liegt die Sakristei, an der Nordseite eine geschlossene Vorhalle mit Treppenaufgang 
zu einem über dem Chorumgang, triforiumartig angelegten Oratorium. An der Ostseite (das 
Bauwerk ist infolge der Lage des Bauplatzes zur Stadt umgekehrt orientiert) ist eine geschlossene 
Vorhalle angeordnet, darüber die Orgelempore zwischen zwei je 96 m hohen Türmen mit 
durchbrochenen Steinhelmen. Drei mit figuralem und ornamentalem Schmuck reich gezierte 
Portale führen von der Hauptfront in das Kircheninnere. Dieses ist mit Kreuzgewölben zwischen 
Steinrippen überspannt, die Gewölbekappen, Rippen und Kapitale sowie auch zahlreiche 
vertikale Wandteile, namentlich im Chor und Umgang, ornamental und figural reich bemalt und 
vergoldet, die Fenster mit Glasgemälden ausgestattet. (Führich, Laufberger, Trenkwald u. a. haben 
bei der farbigen Ausstattung mitgewirkt.) 
Das durchwegs aus Stein (Wöllers- 
dorfer, Brunner und Mühlendorfer Stein) 
ausgeführte Äußere zeigt das reduzierte 
französische Kathedralensystem in der ge 
reiften Form des 14. Jahrhunderts. Die 
steilen Dächer des Hochschiffes und der 
Kapellen sind mit Schiefer, die der Seiten 
schiffe und des Chorumganges mit Blei 
eingedeckt. Mit demselben Materiale ist 
auch das Sanktustürmchen über der Vie 
rung verkleidet. Die lichte Länge der 
Kreuzflügel beträgt 48 m, die lichte Breite 
des Langhauses 28’8m, die Höhe des 
Mittelschiffes und der Kreuzflügel 28'5 m, 
der Vierung 32 m. Die Baukosten beliefen 
sich auf 6,233.000 K, die Gesamtkosten 
einschließlich der inneren Ausstattung auf 
8,071.000 K. 
Eine Gruppe von vier Kirchen, 
in den Jahren 1860—1875 erbaut, kann 
am besten im Zusammenhang bespro 
chen werden, da sie vom gleichen 
Meister entworfen, auch hinsichtlich des 
Baumateriales — es sind durchwegs 
Backsteinbauten, mit mehr oder min 
der sparsamen Werksteingliederungen — 
einander nahe verwandt erscheinen und 
für eine Reihe späterer, von Schülern des Meisters erbauten Kirchen vorbildlich wurden. 
’) Klasen, Grundrißvorbilder, S. 1394. Die Votivkirche in Wien. Denkschrift des Baukomitees von Dr. M. Thausing. 
Verlag von R. v. Waldheim, Wien. Wiener Monumentalbauten. Allgemeine Bauzeitung. 1879, 1886. K. Weiß, Alt- und Neu-Wien 
E. Winkler, Technischer Führer durch Wien. Hartei, Moderne Kirchenbauten. Verlag von E. Wasmuth, Berlin. 
Abb. 117. Pfarrkirche zu Altlerchenfeld.
	        
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