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sie Wecken durch Klopsen an den Fenstern die Bäuerin, welche aufsteht und die Störefriede
mit Most, Äpfeln und Nüssen tractirt und sogar einige Tänze sich gefallen lassen muß.
Unter Grimassen, Ächzen und Stöhnen zieht dann die lustige Sippschaft wieder weiter.
Im Marchfelde (Untergänserndorf) setzt man mißliebigen Personen einen großen Heiligen-
stritzel aus Stroh auf einer Stange vor das Hans.
Der schöne Brauch, am Allerseelentage das Andenken der theuren Dahin
geschiedenen durch Gräberschmuck zu ehren, beschränkt sich im Ganzen mehr ans die
bürgerlichen Kreise, besonders dort, wo die Bauerngehöfte weiter von der Pfarrkirche
entfernt sind. Aber am Trauergottesdienste, sowie an der fast allgemein üblichen Procession
nach dem Friedhofe betheiligt sich sehr zahlreich auch das Bauernvolk. Für die armen
Seelen werden viele Opfer gebracht an Gebet, Meßstipendien und Almosen.
Am Feste des heiligen Martin herrscht noch in vielen Gegenden Niederösterreichs
der Brauch, Mittags als Hauptgericht eine Gans zu essen, namentlich in den beiden
Vierteln O. und U. M. B. und theilweise auch im V. U. W. W., z. B. im Leithagebiete,
wo man überdies Verwandten und Geschäftsleuten, mit denen man verkehrt, die Martini
gans zuträgt oder znsendet. (Wannersdorf am Leithagebirge). Im V. O. M. B. (um
Eggenburg) findet am Sonntag nach Martini ein Tanz bei der sogenannten „Herbstmusik"
statt. Die Bursche bewirthen bei dieser Gelegenheit ihre Mädchen mit Gänsebraten, weßhalb
der genannte Sonntag dort auch der „Ganslsonntag" heißt. Für den Weinbauer ist der
Martinitag in anderer Weise wichtig. An demselben wird nämlich der Wein „getauft",
das heißt der Most von da an als Wein bezeichnet. Zu Martini gehen im V. U. W. W.
die „Halter" (Viehhirten) von Haus zu Haus und übergeben beim Eintritte jedesmal eine
Birkenruthe, womit in, nächsten Jahre das Vieh wieder ausgetrieben werden soll. (Der
Birkenzweig als „Lebensruthe".) Der Spruch, welchen sie aufsagen, klingt in einigen
Versen an einen altdeutschen Hundesegen an. Um Wiener-Neustadt sammeln die „Halter"
mit ihren Buben in den Häusern Wein, den man ihnen in die großen Krüge schenkt, welche
sie auf ihrem Rundgange mit sich schleppen. Im Leithagebiete erbitten sich auch die Hand
werker bei ihren Kunden den „Martinitrunk", den sie aber gewöhnlich ihren Gesellen
überlassen. Der Ausdruck „Martini-" oder „Märtenloben" wird wohl am richtigsten ans
das kirchliche Officium des Tages zurückgeführt, dessen Jnvitatorium zur Matutin lautet:
-Imuäemus veum noslrunr in eonkegsiorm boati NartinU. (Laßt uns Gott loben in
dem Bekenntnisse des heiligen Martinus.)
Am Barbaratage (4. December) stellt man einen Kirschzncig in ein Gefäß mit
Wasser, welches man täglich erneuert. Am Christabend blüht der Zweig auf. (An allen
Orten bekannt.) Mädchen sehen in dem Phänomen ein Zeichen, daß sie im nächsten Jahre
heiraten werden.