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wenn wir eine der Nebenbahnen benützen, die das Land zwischen Leitha nnd Wienerwald
durchqueren: liberal! emporgereckte Schlote, überall die gleichen unverkennbaren Wahr
zeichen industrieller Thütigkeit.
Es ist nicht leicht, etwas Gemeinsames von diesen Fabriken zu sagen. Die breit in
der Ebene hingelagerten sind an Aussehen sehr verschieden von den in enger Bergschluchl
romantisch angebauten, und diejenigen, welche an einein Wasser liegen, dessen Kraft sie
benützen, bieten einen anderen Anblick dar als die mit Dampfbetrieb; endlich wird das
äußere Bild der Fabrik sehr wesentlich bestimmt durch den Gegenstand der Produetivu,
wo es denn einen merklichen Unterschied macht, ob in den Fabriksgebäuden Baumwollgarne
oder Ziegelsteine, Lagerbier oder Schwefelsäure, Gnmmibälle oder Locvmvtiven hergestellt
werden sollen. Aber alle diese nnd tausend andere Fabrikate der niederösterreichischen
Industrie sind für den großen Markt, zum Theile selbst für den Weltverkehr bestimmt.
Fragt man nach dem Werthe derselben, so erhält man zwar in: Ganzen eine kleinere Summe
als für das industrielle Wien und seine betriebsamen Vororte, aber die Ziffer ist noch
immer groß genug nnd im Verhältniß zur Zahl der Unternehmungen sogar gewaltig zu
nennen. Es betrug nämlich der in den niederösterreichischen Fabriken erzeugte Prvdnctions-
werth rund 122 Millionen Gulden, so daß auf eine einzelne Unternehmung durchschnittlich
190.000 Gulden entfielen, während in Wien nnd Umgebung die Durchschnittsziffer nnr
etwas über 101.000 Gulden ansmacht. Nimmt man das Viertel unter dein Wienerwald
allein, so war die Relativzahl — bei 406 Unternehmungen mit einer Production von
90-7 Millionen Gulden — noch viel höher, nämlich rund 224.000 Gulden, das heißt, die
^abnken unter dem Wienerwald produeirten, eine in die andere gerechnet, mehr als das
Doppelte der eicksprechenden Industriebetriebe von Wien nnd Umgebung. Der größere
Umfang der ländlichen Fabriken drückt sich auch in der größeren Zahl ihrer Arbeiter aus;
während in Wien und Umgebung durchschnittlich 40 Arbeiter auf eine Fabrik trafen,
betrug ihre Zahl ans dem Lande 71, unter dein Wienerwald sogar 80, also wiederum
doppelt so viel als in der Stadt. An: imposantesten aber erscheint das Übergewicht der
Fabriken von Niederösterreich gegenüber Wien nnd Umgebung, wenn man die angewandte
Maschinerie, insbesondere die mechanischen Pserdekräfte hüben nnd drüben in Betracht
zieht, iw entfielen in Wien nnd Vororten, wo noch eine Menge von Industrien ohne
jede mechanische Triebkraft sich behilft, durchschnittlich nur 4 Pserdekräfte ans die Unter
nehmung, hingegen auf dem Lande durchschnittlich 52, im Viertel unter dem Wienerwald
62 Pserdekräfte.
so bestätigt sich die Erfahrung, daß gerade die massigsten Industriebetriebe das
Land anfsnchen, wo sie sich bequemer einrichten nnd verbrecken können als ans dem thenern
Pflaster der Stadt.