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Die Hauptmasse der Kalksteine selbst wird durch verschiedene Glieder der oberen
Trias und durch die Gesteine der rhätischen Stuse gebildet. In den außeralpinen Gebieten
in Nordeuropa besteht die obere Trias, der sogenannte Keuper, aus sandig-mergeligen
Schichten, die zumeist als Land- oder Süßwasserbildnng erscheinen, und die rhätische Stufe
besteht daselbst aus einem nur wenige Meter mächtigen, ans gleichem Materiale bestehenden
marinen Schichtencomplex, der an der Grenze zwischen Trias und Jura auftritt. In unseren
Alpen dagegen erscheinen diese Gebilde in ganz anderer Facies-Entwicklung als echt marine
Kalksteine, die, wie z. B. die der Trias angehörigen Hallstädter-, Wetterstein-und
Esinokalke oder wie der rhätische Hanptdolomit und der Dachsteinkalk, gewaltige
Bergmassen zusammensetzen und deren Mächtigkeit nach Tausenden von Fußen gemessen
werden mich. Zwischen ihren Schichten, oder auch als abweichende Facies sie vertretend,
zeigen sich übrigens auch an zahlreichen Stellen mergelig-sandige Schichtgruppen wie die
Cassianer und Raibler Schichten der Trias oder die Kössener Schichten, die der
rhätischen Stufe angehören.
Verhältnißmäßig untergeordnet gegen die genannten Gebilde nehmen Jura, Kreide
und Eoeengesteine an der Zusammensetzung der eigentlichen Kalkalpen Antheil. Besonders
zu erwähnen sind die dem Lias angehörigen sogenannten Adnether Schichten, rothe
marmorartige cephalopodenreiche Kalksteine, die von dem Dorfe Adneth bei Hallein, wo
sie in großen Steinbriichen gewonnen werden, ihren Namen haben; sie finden vielfach
zunächst in Salzburg und auch weiter im Lande Verwendung zu architektonischen Zwecken;
die aus Mergeln und Sandsteinen bestehenden, ebenfalls der Liasformation angehörigen
Grestener Schichten, die namentlich in der nördlichen Hälfte des östlichsten Theiles
unserer Kalkalpen eine weite Verbreitung erlangen; die der Kreideformation angehörigen
Marmore am Nordfuß des Untersberges bei Salzburg, die das Material zu manchen
neueren Prachtbauten in München lieferten; endlich die ebenfalls der Kreideformation
angehörigen Gosaugebilde, die, zumeist ans mergeligen und sandigen Gesteinen bestehend,
den Grund tieferer Thäler und Senkungsgebiete unserer Kalkzone, wie das Brandenberger-
thal in Tirol, das Gosauthal bei Ischl, jenes von Windisch-Garsten, von Gams bei
Reifling, die sogenannte Neue Welt am Fuße der Hohen Wand westlich bei Wiener-
Neustadt n. s. w. ausfüllen.
Wesentlich verschieden von der Physiognomie der krystallinischen Centralalpen ist
jene der Kalkalpen. Vielfach sind es ausgedehnte Hochplateaux, wie beispielsweise in der
Hochschwab-Gruppe, die in fast senkrechten nackten Steilwänden gegen die tief eingesenkten
Thaleinschnitte und engen Felsklammen abfallen. Langsamer und in geringerem Maße als
die Silikatgesteine liefern die Kalksteine durch Verwitterung fruchtbaren Boden; bis zu
bedeutenden Tiefen herab erscheinen darum häufig nicht nur die Thalgehänge, sondern auch