MAK

Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Übersichtsband, 1. Abtheilung: Naturgeschichtlicher Theil

231 
Pflanzenwelt eine ungemein rasche. Die meisten Gewächse haben schon im Verlaufe von 
zwei Monaten ihre jährliche Arbeit abgeschlossen und um die Mitte des September, wenn 
die mittlere Tagestemperatur regelmäßig schon unter den Nullpunkt sinkt und der Neuschnee 
an den beschatteten Stellen nicht mehr abschmilzt, haben sich schon alle Pflanzen für den 
langen Winterschlaf eingepnppt. Trotz dieser kurzen Vegctationszeit ist das Ausreisen der 
Samen bei den Gewächsen der Alpenflora nur selten gefährdet. Die Mehrzahl der 
alpinen Pflanzen hat nämlich vorläufige Blüten, das heißt Blüten, deren Knospen schon 
im vorhergegangenen Jahre angelegt wurden und welche sich noch vor der Entwicklung 
neuer Laubblätter kurz nach dem Abschmelzen des Schnees entfalten. Hierzu werden die 
Reservestofse verwerthet, welche in den alten mit den Blütenknospen überwinternden 
Laubblättern und Stämmen aufgespeichert waren, und erst dann, wenn diese aufgebraucht 
und die überwinternden Laubblätter verschrnmpft sind, werden wieder neue Laubblätter 
ausgebildet. Auf diese Weise ist der Entwicklung der Früchte und Samen ans den Blüten 
ein verhültnißmäßig langer Zeitraum gegeben. Es erklärt sich ans dieser Art der 
Verjüngung nicht nur die große Zahl der Pflanzen mit vorläufigen Blüten, sondern 
auch das Überwiegen wintergrüner ausdauernder und das Zurücktreten einjähriger 
Gewächse, bei welchen letzteren Stamm- und Laubbildung der Blüten- und Fruchtbildung 
innerhalb einer und derselben Vegetationsperiode vorausgehen muß und bei denen der 
Abschluß der Fruchtreife in sehr gefährlicher Weise gegen die Zeit der Septemberfröste 
hinausgeschoben sein würde. Nicht weniger als 96 Percent der alpinen Blütenpflanzen 
sind ausdauernd und nur 4 Percent sind einjährig oder zweijährig. — Hochstämmige 
Bäume, welche zu ihren voluminösen Neubildungen, insbesondere zur Bildung ihrer Holz- 
cylinder mehr als dreieinhalb Monate ununterbrochen thätig sein müssen und die bei dieser 
Arbeit eine Wärmemenge binden, welche in der Hochgebirgsregion selbst in den günstigsten 
Jahren nicht mehr zur Disposition steht, fehlen. Da der Wasservorrath im Boden und in 
der Luft ein sehr reichlicher und stetiger und eine zu weit gehende Austrocknung nicht zu 
besorgen ist, so fehlt der Mehrzahl der Pflanzenarten der gegen Vertrocknung schützende 
wollige oder filzige Überzug. Achtzig Percent der Gewächse der alpinen Flora sind daher 
ähnlich den Sumpfpflanzen anderer Floren vollständig kahl. Nur das bekannte Edelweiß, 
die Edelrante und Goldraute und überhaupt die Pflanzen der schroffen Felsklippen, welche 
bei anhaltendem Südwinde der Trockniß verhültnißmäßig am meisten ausgesetzt sind, 
zeigen grau- und weißfilzige oder seidenhaarige Blattspreiten. 
Die Zahl der alpinen Pflanzenarten kann ans 1500 veranschlagt werden. Von 
diesen entfallen zwei Drittel auf Sporenpflanzen, ein Drittel auf Samenpflanzen. Von 
den letzteren treffen nenn Percent auf niedere Holzpflanzen und eilf Percent auf immer 
grüne Gewächse. Der alpinen Flora eigenthümlich oder durch die große Zahl der Arten
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.