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Toleranzpatent zur Unterlage diente. Auch mit Tököly und mit der Pforte knüpfte der
Kaiser Unterhandlungen an, mit jenem, um ihn zur Unterwerfung zu bewegen, mit dieser,
um die Verlängerung des 1664 geschlossenen Friedens zu erlangen. Doch es war zu spät.
Man erblickte in diesen Verhandlungen des Wiener Hofes nur ein Zeichen seiner Schwäche.
Schon wurde Tököly von der Pforte als Fürst von Ungarn anerkannt und er selbst legte
sich den Titel: „Fürst lind Herr einiger Theile Ungarns" bei. Noch vor der Kriegserklärung
hatte der Kampf mit den Türken bereits begonnen. Ohne daß eine große Schlacht geschlagen
worden wäre, ging mehr als die Hälfte des kaiserlichen Ungarn verloren, während in
Adrianopel sich das osmanische Hauptheer sammelte, welches im Frühling des Jahres 1683
nach Belgrad aufbrach, wo der Sultan seinem Großvesir die grüne Fahne des Propheten,
das Zeichen der Bestallung zum obersten Feldherrn übergab.
So war denn der Krieg mit der Pforte unvermeidlich geworden; was aber die
Bedrüngniß des Wiener Hofes bis zur Gefahr einer Katastrophe steigerte, das war die
Stellung, welche der allerchristlichste König Ludwig XIV. in würdiger Nachahmung seines
Vorgängers Franz I. einnahm. Längst hatte der König von Frankreich auch die Vorgänge
in Ungarn in den Kreis seiner Berechnungen gezogen. So wie er seit jeher allerorten eifrig
thätig war, dem Kaiser Feindschaften zu bereiten, um dadurch dessen Aufmerksamkeit und
Streitkrüfte von sich selbst abznlenken, so war er auch in Ungarn unablässig bemüht, das
Feuer zu schüren, das sich, wie er hoffte, zu einem Alles verheerenden Brande entzünden
sollte. Sein Gesandter in Warschau vermittelte das Bündniß der ungarischen Aufständischen
mit Michael Apafy. Frankreich zahlte Subsidien und unterstützte die Maleontenten von
Polen aus mit Truppen, so daß Tököly mit vollem Rechte Ludwig XIV. auf seinen Münzen
als „Protector Ungarns" bezeichnen konnte, wenn man darunter das Streben versteht, in
diesem Königreiche stets eine Partei des Widerstandes gegen das Haus Habsbnrg zu
erhalten. Auch den Poleukönig Johann Sobieski wußte Ludwig XIV. lange Zeit hindurch
in der Tendenz seiner antihabsburgischen Politik zu erhalten. Vor Allem aber suchte er
die Pforte zu einem neuen Kriege wider den Kaiser aufzustacheln. Der Türkenkrieg war,
wie der kaiserliche Gesandte in Paris, Graf Mannsfeld bemerkte, das Generalfundament,
auf welches der König von Frankreich den glücklichen Ausgang aller seiner Projecte baute.
Nicht als ob die entgegengesetzte Idee eines Krieges mit der Pforte außer dem Gesichtskreise
Ludwigs XIV. gelegen wäre. Wohl hatte er einst einen Vorschlag dieser Art, den ihm
Leibniz im Namen des Kurfürsten von Mainz überbrachte, mit der spöttischen Bemerkung
abgethan, daß seit Ludwig dem Heiligen die heiligen Kriege nicht mehr in Mode seien.
Dennoch behielt er auch jene Eventualität im Auge, ja, er wünschte sie sogar, da sie ihm
als Werkzeug seiner Pläne dienen sollte. Wenn erst der Krieg nach dem Sturze Wiens
die Türken nach Deutschland führen würde, hoffte er, daß sich ihm das verlassene Reich