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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Übersichtsband, 2. Abtheilung: Geschichtlicher Theil

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Stellung als Protokollführer der geheimen Conferenz durch Geschäftskenntniß und Eifer 
das volle Vertrauen Karls VI. und später auch Maria Theresias erwarb, so daß diese 
in späteren Jahren über ihn die merkwürdigen Worte niederschrieb: „muß Ihme die 
Justiz leisten, daß Ihme allein schuldig die Erhaltung dieser Monarchie; ohne Seiner 
wäre Alles zu Grund gegangen". 
Dieser überwiegende Einfluß Bartensteins war freilich nur unter einem Manne 
von der geringen geistigen Bedeutung Ulfeldts möglich. Trotz aller Dankbarkeit, die sie für 
ihn empfand, sah sich Maria Theresia doch genöthigt, Bartenstein von seiner Stelle in der 
Hof- und Staatskanzlei zu entheben, als sie Kaunitz zn Ulfeldts Nachfolger ernannte. 
Graf, später Fürst Wenzel Anton Kaunitz (geboren 1711 zu Wien) stammte aus 
einem alten mährischen Adelsgeschlechte, dessen Stammschloß zwei Meilen von Brünn lag. 
Anfangs für den geistlichen Stand bestimmt, trat er später in den Staatsdienst, in welchem 
er durch Geist und Fleiß bald die Aufmerksamkeit der Kaiserin auf sich lenkte. Er war 
von schlanker, edler Gestalt, lebhaften blauen Augen und einnehmenden Gesichtszügen, 
welche Verstand und Scharfsinn andeuteten. Er besaß tiefe Menschenkenntniß, große 
Gewandtheit in den Geschäften, sicheres Urtheil, eiserne Ausdauer in der Erstrebnng seiner 
Ziele. Er imponirte durch sein kaltes, ruhiges Benehmen und durch seine geistige Über 
legenheit; dabei konnte er aber so offen und liebenswürdig sein, daß Andere leicht veranlaßt 
wurden, sich ihm zu offenbaren, während er seine Gedanken und Absichten Niemandem 
mittheilte. Fast unbeschränkt gebot Kaunitz in der Zeit von der Übernahme des Staats 
kanzleramtes (1753) bis zum Tode des Kaisers Franz I. (1765) in dem Hause auf dem Ball 
platze, so daß ihn Friedrich II. für diese Zeit nicht unpassend als „Vicevezier" bezeichnete. 
Schon die Form der Behandlung der Geschäfte wurde durch seinen Eintritt eine andere. 
Aus den Depeschen der Hof- und Staatskanzlei schwand der raisonnirende, doctrinäre Ton, 
durch welchen Bartenstein so häufig Anstoß erregt hatte; die Ansichten der Regierung 
wurden mit einem seltenen Geiste der Mäßigung entwickelt. Ergingen früher fast aus 
nahmslos die Rescripte im Namen des Monarchen an die Gesandten, so wurden jetzt die 
Weisungen an sie vom Minister erlassen, der neben den von der Kaiserin unterfertigten 
officiellen auch geheime, von ihm allein Unterzeichnete Instructionen ergehen ließ. 
Den Aachener Frieden hatte Kaunitz als Bevollmächtigter Österreichs abgeschlossen. 
Bei dieser Gelegenheit lernte er die Selbstsucht der Seemächte kennen, welche während des 
Krieges immer nur auf ihr eigenes Interesse bedacht gewesen waren und auch jetzt der 
Kaiserin die härtesten Opfer zumutheten. Als daher Maria Theresia kurz nach dem 
Friedensschlüsse von ihren Ministern ein Gutachten darüber verlangte, welches politische 
System nunmehr zu ergreifen sei, da war es Kaunitz, der im Gegensatz zu den übrigen 
Mitgliedern der Conferenz, die von der Voraussetzung der ferneren Allianz mit den
	        
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