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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Übersichtsband, 2. Abtheilung: Geschichtlicher Theil

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beruht, so war auch das Verhältniß Josefs zu Kaunitz in der Folge auf ähnlichen Grund 
lagen aufgebaut. 
Es war für Joses verhüngnißvoll, daß ihm der Segen häuslichen Glückes nicht 
beschieden war. Seine erste heißgeliebte Gemalin Jsabella von Parma entriß ihm ein 
frühzeitiger Tod. Sie hinterließ nur eine Tochter, welche als Kind von neun Jahren starb. 
Josefs zweite Gemalin war die Prinzessin Josefa von Baiern. War in der früheren Ehe 
Josefs Liebe nicht in gleicher Weise erwiedert worden, so fand jetzt in erhöhtem Maße das 
Umgekehrte statt. Die nur aus politischen Gründen geschlossene Ehe blieb kalt und kinderlos. 
Seit 1767 zum zweiten Male Witwer, blieb Josef weiterhin unvermält. 
In die Zeit der Mitregentschaft fallen die vielen Reisen, welche Josef theils im 
Jnlande theils in das Ausland unternahm, um sich über die Bedürfnisse seiner Länder 
zu unterrichten und um sich auf seinen künftigen Herrscherberuf vorzubereiten. So finden 
wir ihn bald in den Alpenländern oder in Böhmen, bald in Ungarn und Siebenbürgen, 
bald in dem neuerworbenen Galizien. Zweimal traf er mit seinem verhaßten, aber auch 
bewunderten Gegner Friedrich dem Großen zusammen: 1769 zu Neiße in Schlesien, 
1770 zu Neustadt in Mähren. Im Jahre 1769 kam er nach Italien, wo er unter andern 
in Rom das Conclave besuchte, aus welchem Ganganelli als Papst Clemens XIV. hervor 
ging. 1777 reiste er nach Frankreich an den Hof seiner Schwester, um dies Land, den Herd 
der damaligen geistigen Bewegung, persönlich kennen zu lernen. Er besuchte in Paris die 
Werkstätten der Kunst und Industrie, die Humanitätsanstalten und die öffentlichen Gerichts 
verhandlungen, lernte die dortigen berühmten Staatsmänner und Schriftsteller kennen und 
kehrte mit dem Entschlüsse heim, die im Umgänge mit diesen Männern gewonnenen Ideen 
dereinst in seinen Ländern durchzuführen. Aber er sah auch mit prophetischem Blicke die 
kommenden Geschicke Frankreichs voraus. „So kann es auf die Länge nicht mehr weiter 
gehen", warnte er, „und die Revolution wird grausam sein, wenn Ihr derselben nicht 
vorbaut." 
Jeder Ostentation feind, reiste er stets in jener prunklosen Weise, die ihm Gelegenheit 
gab, Alles mit eigenen Augen zu sehen, und die ihm manchen ergötzlichen Auftritt in eigenen 
und fremden Landen schaffte. Bald wurde der Graf von Falkenstein — das Jncognito, 
unter welchem Josef zu reisen pflegte — ein Gegenstand der Sage, die ihren Liebling mit 
tausend anmuthigen Zügen ausgestattet hat. 
So wie auf Reisen, so waren auch daheim Haushalt und Tagesordnung gheich ein 
fach. Ein schöner Mann, über mittelgroß, mit offenem Gesichte, einer gewölbten Stirne 
und Augen, deren Farbe als „Kaiseraugenblau" in die Mode kam, das gepuderte Haar 
an den Schläfen in Wickeln aufgerollt und rückwärts zu einem Haarbeutel geknüpft, trug 
er zu Hause die Uniform seines Regimentes und auf Reisen bürgerliche Kleidung. Er war
	        
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