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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild, Übersichtsband, 2. Abtheilung: Geschichtlicher Theil

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selbst als Cobenzl endlich ans Ruder trat, schwankte die österreichische Politik, da ihr ein 
fester Anker fehlte, zwischen den entgegengesetzten Strömungen unstet hin nnd her. 
Zwar, Hütte es in Cobenzls Macht gelegen, so wäre die Allianz von 1756 mit 
Rußland und Frankreich wieder auferstanden, im Gegensätze zu Preußen, von welchem 
Österreich noch immer die tiefe Kluft unausgeglichener Differenzen schied. Statt dessen mußte 
Cobenzl es erleben, daß die beiden Mächte, um deren Gunst er so eifrig buhlte, sich über 
die obschwebenden Fragen ohne sein Vorwissen in einer Weise verständigten, die einer 
Abdication Österreichs in Deutschland und in Italien gleichkam. Wenn trotzdem der 
Wiener Hof sich dem Entschädigungsplane der vermittelnden Mächte unterwarf, ja sogar, 
als die Beziehungen Frankreichs und Rußlands gespannter wurden, deren Wiederversöhnung 
zu bewerkstelligen suchte, wenn man jedem Conflicte mit Bonaparte ängstlich aus dem Wege 
ging, sich gegen die Lockungen Englands, das zu neuem Kriege drängte, taub erwies, bei 
dem Wiederansbruche des englisch-französischen Krieges zu dem Einrückeu der Franzosen 
in Hannover schwieg und kein Wort lauten Tadels über die Schandthat von Ettenheim 
fand, so ging diese Stimmung aus dem Friedensbedürfnisse des finanziell und militärisch 
erschöpften Staates hervor, das Niemand tiefer als Erzherzog Karl empfand, der, obgleich 
nunmehr als Kriegs- und Marineminister auf die Hebung der Wehrkraft des Reiches durch 
zweckmäßige Reformen des Heerwesens eifrig bedacht, dennoch sich zum beredten Anwalt 
des Friedens machte, dessen Österreich dringend bedurfte, ehe es sich in die Gefahr neuer 
Kämpfe begab. 
Da war es der weitere Verlauf der französischen Revolution, der diese Friedenspläne 
zunichte machte. Wohl hatte Bonaparte die Revolution, deren Sohn er war, nach ihrer 
anarchischen Seite gebändigt, und eben deßhalb war er den österreichischen Staatsmännern 
fast eine sympathische Persönlichkeit. Dagegen trat nun aber gerade jetzt, da sich die ganze 
Gewalt in der Hand eines mächtigen Feldherrn concentrirte, die erobernde Tendenz der 
Revolution um so schärfer hervor. Hatte die französische Republik mit ihren Freiheits 
bäumen zugleich auch ihre Umsturzideen auf de» Boden jener Tochterrepubliken verpflanzt, 
mit denen sie sich wie mit einem Kranze von Clientelstaaten umgab, so kehrte zwar Napoleon I. 
auf den monarchischen Boden zurück, aber in jenem umfassenden Sinne Karl des Großen, 
in dessen Weltreiche es nur dem herrschenden Hanse ungehörige Unterkönige und heerbann- 
pflichtige Vasallstaaten gab. 
Daß diese Tendenz dem Titel eines Erbkaisers der Franzosen zu Grunde lag und 
daß daher die Anerkennung desselben einer Abdication der deutschen Kaiserwürde und 
einer Sanetivnirnng der revolutionären Doctrinen gleichkam, welche als Gegenforderung 
der Titel eines Kaisers von Österreich keineswegs anfwog, das hat damals Gentz mit 
seinem bekannten Scharfblick richtig erkannt. Aber wie sehr auch, theoretisch betrachtet,
	        
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