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religiösen Beschwerden der Stände auf die „Regensburger Reformation", in der Folge
auf das bevorstehende allgemeine Concil verwies.
Im deutschen Reiche lagen die Verhandlungen mit den Protestanten zum Theile in
Ferdinands Händen; zugleich wurde er von dem Verlaufe derselben aus das tiefste berührt.
Wiederholt versagten ihm die Reichsfürsten unter dem Hinweis auf die noch ungelöste
kirchliche Frage nachdrückliche Unterstützung gegen die Türken. In Erwiederung jenes
Angsbnrger Reichstagsabschiedes, welcher unter Androhung der schärfsten strafen die
Rückkehr der Protestanten in den Schoß der katholischen Kirche forderte, hielt der schmal-
kaldener Bund mit der Anerkennung der Wahl Ferdinands zum römischen König so lange
zurück, bis mit der Auflösung des schwäbischen Bundes und mit dem Verluste des Herzog
thums Württemberg die beiden Hanptpfeiler habsburgischer Machtstellung im südwestlichen
Deutschland zusammenstürzten. Anderseits trat der Sieg Karls V. bei Mühlberg auch die
wachsende kirchlich-politische Opposition der böhmischen Stände zu Boden.
Doch läßt sich nicht verkennen, daß allmälig auch in diesen Dingen sich die Bahn
Ferdinands von jener seines kaiserlichen Bruders schied. Man könnte zwar nicht behaupten,
daß er Karls religiöse Politik mißbilligt hätte. Ferdinand blieb auch fernerhin von lauterer
Kirchlichkeit erfüllt, orthodox und devot für seine Person und in allen Verhältnissen seiner
Umgebung; aber seine staatsrnänrrische Einsicht, für welche naturgemäß die ungarisch-
türkische Frage den Mittelpunkt aller Bestrebungen bildete, ließ ihm, wie in politischer
Hinsicht die Erhaltung oder Herstellung des europäischen Friedens — nöthigenfalls selbst
durch spanisch-habsbnrgische Zugeständnisse — so in der religiösen Frage Nachgiebigkeit
gegenüber den Forderungen der protestantischen Fürsten wünschenswert!) erscheinen, um die
vereinten Kräfte seines Hauses sowie des deutschen Reiches dem Erbfeinde der gesammten
Christenheit entgegenzuwerfen. Diese Einsicht wuchs mit den Jahren, je mehr sich die
Unausführbarkeit der kaiserlichen Religionspolitik und die Unvcrtilgbarkeit des Protestan
tismus und damit die Nothwendigkeit, diesen factisch zu dulden, ergab. So war denn der
Passauer Vertrag Ferdinands Werk, und als der Kaiser, der das große Ziel seines Lebens,
die Aufrechthaltung der kirchlichen Einheit, scheitern sah, sich für immer aus dem Reiche
znrückzog, da war es abermals Ferdinand, der, von der Nothwendigkeit dieses schritte»
fest überzeugt, den Entschluß sich abgewann, die zu Passau zeitweilig gewährte Duldung
durch den Augsburger Religionsfrieden zu einer bleibenden zu machen.
Auch in den Erblanden war trotz der verschiedenen strengen Religionserlüsse die
Praxis seiner Regierung eine milde. So wie er in dem Augsburger Religionsfrieden durch
den sogenannten geistlichen Vorbehalt dem Weitervordringen des Protestantismus eine
Schranke gesetzt und gerade an den bedrohtesten Stellen, in den geistlichen Fürstenthümern,
die Fortdauer des Katholieismus gesichert zu haben glauben mochte, und so wie er anderseits