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die Mehrzahl der Gasthöfe und Gasthäuser ersten Ranges, desgleichen der Palast der
Hauptpost und die Karlskaserne mit ihren schönen Portalen. Eine Merkwürdigkeit dieses
Stadttheiles ist der gräflich Karolyi'sche Palast, ein nach außen einfaches, innen aber desto
prächtiger aus gestattetes Gebäude mit fünf bis sechs Joch großem Garten, dem denkbar
größten Luxus, wie sich ihn auf so fabelhaft theuren Gründen nur ein herrschaftlicher Sinn
bei herrschaftlichem Vermögen gestatten kann.
Gegen Nordwest stößt die innere Stadt an die Leopoldstadt, die in ihren nächsten
Straßen noch denselben Charakter aufweist. Die wirkliche Leopoldstadt ist erst von der
Badgasse an zu rechnen. Sie ist der Hauptsitz des Handels- Der in der ersten Hälfte
unseres Jahrhunderts erbaute Stadttheil macht mit seinen parallelen und sich rechtwinklig
schneidenden Gassen, in denen es kaum ein Hans von weniger als zwei Stockwerken gibt,
den Eindruck großer Regelmäßigkeit. Die Kaufläden sind hier seltener, die Waarenlager
häufiger. Die Bevölkerung besteht zum großen Theil aus vornehmen Juden. Sie bilden
gewissermaßen eine Welt für sich, haben ihr eigenes Salonleben von außerordentlichem
Luxus, ihre eigenen Clubs, ihre eigene Weltanschauung. In drei Abschnitten zieht sich die
Leopoldstadt längs der Donau hinan. Das erste Stück ist die Region des Großhandels; die
gewaltigen Pavillons einer in naher Zukunft zu beseitigenden Kaserne, des Neugebäudes,
trennen es von dem folgenden Theile, dessen Hänsergruppen den im Bau begriffenen
Reichstagspalast, Ministerien und andere öffentliche Gebäude, wie den Justizpalast, die
Handelsakademie, die unitarische Kirche, ferner die Dampfmühlen und noch andere Fabriks
anlagen umfassen. An freien Plätzen ist dieser Stadttheil der reichste. Da ist der Giselaplatz,
den der prächtige Haas'sche Palast beherrscht — er ist an der Stelle der alten Redoute und
des alten Theaters erbaut und lehnt sich mit dem Rücken an die neue Redoute, die ihre
Front dem Kiosk und der Donau zukehrt; ferner der Franz Josephs- oder Kettenbrücken
platz, auf dem sich einerseits das Denkmal Franz Deals, anderseits (vor dem Akademie
palaste) die Statue Stefan Szechenyis erhebt; dann der Josefsplatz mit der Statue des
Palatins Josef; der Elisabethplatz mit dem städtischen Pavillon; endlich der Szichenyiplatz
mit seinen alten Bäumen. Diesen Stadttheil schmückt auch die Basilica mit ihrer hoch-
aufragenden glänzenden Kuppel.
Die lange und breite Waitznerstraße scheidet die Leopoldstadt von der Theresien
stadt, dem VI. Bezirke. Ihre Hauptmerkwürdigkeit ist die schnurgerade, über eine halbe
Stunde lange Andrafsystraße, die mit abwechslungsreichen Palastreihen von der Waitzner
straße bis zum Stadtwäldchen geht. An schönen Wintertagen und Sonntagen wimmelt sie
von Spaziergängern; ihr äußerer Abschnitt hat drei Fahrdämme, zwischen denen baum
bepflanzte und bekieste Wege liegen, einerseits für Fußgänger, anderseits für Reiter.
Rechts und links von dieser fünffachen Straßenlinie geht je ein breiter asphaltirter