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nachhaltiger auf das Publikum zu wirken, da die „Aurora" das erste ungarische Taschen
buch war, in dem man den Hauch der Neuzeit fühlte und das auch mit äußerer Eleganz
auftrat. In der „Aurora" erschienen die besten Arbeiten der besten Schriftsteller: Epen,
Dramen, poetische Erzählungen, Novellen, Balladen und Romanzen. Noch merkt man den
Mitgliedern dieses Kreises den Einfluß der deutschen Dichtung deutlich an, am meisten Kis-
faludy und Bajza, am wenigsten Vörösmarty; aber die Stoffe, die sie behandelten, waren
vaterländische und sie waren die Ersten, denen die ungarische Geschichte und Sage reicheren
Stoff bot. Von großer und heilsamer Wirkung auf sie alle war Stefan Horvat, von dem
die ungarischen Schnftsteller nationales Selbstgefühl und starken Patriotismus lernten.
Karl Kisfaludy schrieb zahlreiche Schauspiele und Lustspiele; unter den ernsten
Stücken sind die hervorragendsten: „Wojwod Stibor", „Irene" und „Csak", unter den
heiteren: „Die Brautwerber", „Täuschungen" und „Die Mädchenhüter". Außerdem schrieb
er heitere Erzählungen („Jonas Tollagi", „Simon Sulyosdi"), lyrische Gedichte, kleinere
poetische Erzählungen und balladenartige Dichtungen. Er schlug mancherlei Töne an,
wohl am tiefsten wirkte aber jene schwermüthige Klage, die uns in seiner Elegie: „Mohäcs"
bewegt, wenn sie die Trauer um den Ruhm der Vorfahren durch die Hoffnung auf bessere
Zeiten vergessen zu machen sucht. Auch mit dem Volkslied machte er Versuche und da
äußert sich die Verdüsterung oder scherzhafte Laune seines Gemüths wohl in naivem Tone,
aber in nicht recht volksmüßiger Sprache.
Seine schriftstellerischen Verdienste knüpfen sich, abgesehen von der allgemeinen
Wirkung, die er ausübte, hauptsächlich an seine Dramen. Die ungarischen Schaubühnen
hatten bis zum Auftreten Karl Kisfaludys zumeist die schwachen Übersetzungen und
Bearbeitungen der sentimentalen deutschen Stücke gegeben, oder auch Dramen, in denen
irgend ein großer Name, nicht etwa auch die dazu gehörige Gestalt der altungarischen
Geschichte die Hauptrolle spielte. Die Verfasser der Stücke fügten die nationalen Stoffe
in den Rahmen einer bereits fertigen fremden Fabel ein, gaben den fremden Helden
ungarische Namen und verlegten die Handlung auf ungarischen Boden, doch genügte
weder ihre Erfindung, noch ihr technischer Sinn. In diesem Zustande fand Karl Kisfaludy
das ungarische Drama. Auch er fröhnte anfangs dem Modegeschmack, ließ es sich aber
später besonders angelegen sein, diesen herrschenden Geschmack zu veredeln und die rohe
iLprache der Bühne durch eine feinere, die der gebildeten Conversation, völlig zu ver
drängen. Von seinen Dramen sind die früheren zwar größtentheils nur Geschichtsbilder,
in denen die Patriotische Selbstaufopferung, die Heiligkeit des gegebenen Wortes, der
Heldensinn und die Großmuth des Ungarn gepriesen werden; allein sie konnten ihre
Wirkung auf das Publikum nicht verfehlen, weil sie das gesellschaftliche Leben Ungarns
recht treffend zeichneten, in gutem Ungarisch geschrieben waren und selbständige Erfindung