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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 3

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Andreas heim. Die Empörer sind bereits vernichtet, sie haben sämmtlich schwer gebüßt. 
Bank klagt die Königin an, als aber Andreas ihn zum Zweikampf fordert, legt Bank, zum 
Zeichen, daß er die Königin ermordet habe, das Schwert nieder und es findet sich keiner, 
der den berühmten Ritter für würdig hielte, mit ihm die Klinge zu kreuzen, denn Jedermann 
verachtet den Frauenmörder. Beim Anblick der Leiche Melindas bricht Bank vollends 
zusammen, er, der aus dem Hort des Gesetzes dessen Verletzer, aus einem Ritter ein 
Frauenmörder, ans einem treuen Unterthan ein Majestätsverbrecher geworden. Indem 
Bank sich in eigener Sache zum Richter aufwirft, lehnt er sich nicht nur gegen die gesell 
schaftliche Ordnung auf, sondern auch gegen seine eigene sittliche Grundlage. Das tragische 
Princip in ihm ist so stark, wie in den besten Tragödien der Weltliteratur. Auch die übrigen 
Figuren sind getreu und mit scharfen Zügen gezeichnet; sie sind echte Individuen wie die 
Shakespeares. Seine Sprache ist dramatisch; obgleich vielfach schwerfällig, schwillt sie doch 
überall von Ausdruck und Kraft. Johann Arany fand sie so shakespearisch, daß er gegen Ende 
seines Lebens einige Scenen Banks ins Englische übersetzte. 
Als die Trefflichkeit des „Bänk-Ban" überall durchzndringen begann, hatte bereits 
eine der hervorragendsten Gestalten des „Aurora"-Kreises und der ungarischen Literatur 
überhaupt, MichaelVörösmarty (1800—1855), dieHerrschaft im Reiche der ungarischen 
Dichtung angetreten und setzte die große Umwandlung ins Werk, welche diese Poesie 
durchmachen mußte, um den Einfluß der fremden Geister abzuschütteln und sich immer 
mehr auf nationaler Grundlage fortznentwickeln. Was Karl Kisfaludy begonnen, das 
setzte Vörösmarty, als ausdauernder Kämpe der nationalen Bestrebungen, mit weit 
größerem Talente fort, indem er die Freiheit der Phantasie und die gestaltende Macht des 
nationalen Elements verkündete. Er schenkte der Nation ausgezeichnete Werke, aber er 
that noch mehr — seine Gesammtwirkung bedeutete gleichsam eine Neuschaffung der ganzen 
Literatur. Die durch Kazinczy erneuerte Kunstsprache wurde durch ihn erst magyarisch, 
klangvoll und so schön, daß sie sich nur durch Johann Arany noch höher heben konnte. Er 
ist der wahre Begründer der magyarischen Dichtersprache, der die alte und die neue Sprache 
verschmolz und zu einer hohen Stufe der Vollendung emporführte. Er griff neue Stoffe 
ans, er verkündete neue Gedanken und Ideen, um das nationale Element zu einem 
künstlerischen zu machen und die lebensfähigsten Errungenschaften der verschiedenen 
poetischen Richtungen zu verknüpfen. Das Element der Sage und Geschichte lebte durch 
seine in jeder Faser nationale magyarische Poesie mit epochemachender Wirkung auf. 
„Der Triumph seiner Dichtung", sagt sein Biograph Gyulai, „war der Triumph des 
nationalen Geistes und der dichterischen Freiheit. Dies ist das herrlichste Denkmal seines 
Genius, welches durch keine Änderung des Geschmacks, noch durch die Meisterwerke der 
Zukunft verdunkelt werden kann, so lange nationaler Geist im Ungarn flammt."
	        
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