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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 3

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verrohten Volkes, die Jnteressenjagd der Gegenwart, in der Gesellschaft der Zukunft die 
Vernichtung des Vaterlandes, der Familie und des Individuum» und schließlich im 
elenden Eskimo die tiefste Gesunkenheit des Menschen. In diesen Scenen macht Adam, als 
Hauptheld des Gedichts, die Erfahrung, daß alle seine Bestrebungen nichtig sind, weil er 
ohne die Hilfe Gottes, aus eigener Kraft ans Ziel gelangen wollte. Die Schlangen der 
Verzweiflung nagen an ihm, er will sich tödten, da entdeckt ihm Eva, die ihm als sein 
Schutzgeist nahesteht, daß sie sich Mutter fühle, und überzeugt ihn dadurch, daß er nun 
vergebens sterben würde. Er sinkt vor Gott in die Knie, der ihn wieder zu Gnaden 
annimmt mit den Worten: „Ich sagt' es, Mensch: kämpfe und vertraue!' Auch dm 
endliche Mensch hat sein Theil an der unendlichen Kraft Gottes und darum haben wir 
keinen Grund zum Kleinmuth. Diese ebenso poetische als tief philosophische >;dee klingt 
uns als erhabene Lehre aus der großartigen Tragödie entgegen, die seit 1883 auch auf 
der Bühne einen glänzenden Erfolg behauptet. 
Noch vor Madäch traten einige begabte Anhänger Szigligetis auf (Josef Szigeti, 
Ludwig Dobsa, Ludwig Körwr), deren dramatische Erfindungsgabe und technische Fertig 
keit von der Kritik mit Recht anerkannt wird. Szigeti schloß sich der Richtung seines 
Meisters durch einige gelungene Volksstücke inniger an; die talentvollsten Vertreter diesen 
Dichtungsart sind übrigens später Eduard Töth (1844 1876) und Franz Csepreghy. 
Das trefflichste Werk Töths ist „Der Dorflump" lA kalu ros-sru), das Csepreghy's 
„Das gelbe Fohlen" sürgu esiko). Beide wirkten auf der Bühne ungewöhnlich stark 
durch echt volksthümlichen und dennoch edlen Ton, getreue Zeichnung der Volk-stypen, 
Reichthum der Erfindung und treffliche Composition. 
Unter den neueren Vertretern der dramatischen Dichtung Ungarns erwähnen wir 
nur Eugen Räkosi, Stefan Toldy, Ludwig Döczi, Ludwig Bartök und besonders Gregor 
Csiky (1842—1891), welche Bühnenwirkung und poetische Kraft zu vereinigen suchen. 
Die bleibendste Wirkung unter ihnen hat Csiky gemacht durch poetische spräche, mannig 
faltige Erfindung, lebendigen Realismus und große Fruchtbarkeit. Seit Szigligeti gab es 
keinen, dessen Werke auf der Bühne so oft gegeben wurden als die seinigen. Den meisten 
Beifall fand er mit socialen Schauspielen. Csiky machte seine Stücke zum Spiegel der 
jetzigen ungarischen Gesellschaft und stellte alle Figuren („Die Proletarier , „Mokantst , 
„Der eiserne Mann" u. s. w.) mit so scharfer Beobachtungsgabe, mit so zutreffenden, 
oft sprechend echten Zügen charakterisirt auf die Bühne, daß die Kritik ihn nicht ohne 
Grund den ungarischen Sardon genannt hat. Seine Hauptkraft lag stets in der Kunst der 
Charakteristik. Gegen Aufbau und Handlung seiner Stücke hat die Kritik so Manches 
eingewendet, aber sie war einstimmig darin, daß kein ungarischer Dramatiker die Schwächen 
der menschlichen Natur treffender und sicherer gezeichnet hat als Csiky, daß einige seiner
	        
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