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Die türkische Herrschaft rottete die magyarische Bevölkerung aus, der ganze flachere
und hügelige Theil wurde sozusagen entvölkert. Nur in den bergigeren, geschützteren Theilen
des Nordens erhielten sich, wiewohl unter ewigen Kämpfen und Gefahren, die Trümmer
der alten magyarischen Bevölkerung. Nach der Vertreibung der Türken mußte da Alles
neu geschaffen werden, denn selbst das Andenken der ruhmreichen Vergangenheit war
fast vollständig verwischt; die Nation, die Cultur mußte sich diese ausgestorbene, ausge
plünderte und verödete Wildniß von Grund aus wieder erobern.
Zur Durchführung dieser Arbeit reichte die verringerte, verarmte magyarische Raee
nicht aus. Es ist beinahe erstaunlich, daß sie auch nur soweit, als sie es that, sich an der
Neubesiedlung betheiligt hat. Die alten reformirten Gemeinden von Gödöllö, Föth, Szada,
Tura, Peezel, Palota beweisen, daß an diesen Orten das Magyarenthum eigentlich nie
ganz verschwunden war und, sobald keine Gefahr mehr drohte, nur um so kräftiger und
strotzender wieder auflebte. Neben den Magyaren siedelten die Großgrundbesitzer deutsche
Gewerbsleute in den größeren Gemeinden an, besonders in Aßöd und Gödöllö, dann
deutsche Bauern in Mogyoröd, Jklad, Nakos-Csaba und Räkos-Kereßtur. Weit zahlreicher
kamen Slovaken aus dem Norden des Nögrader Comitats und besetzten Csomäd, Csvmör,
Czinkota, Zsidö, Kerepes. Sowohl die deutsche, als auch die slovakische Besiedelung fand in
den mächtigen neuen Besitzern der Gegend, der Familie Grassalkovich, ihre Hanptförderer.
Der magyarischen Besiedelung war die in der ersten Hälfte des X^Itl. Jahrhunderts
herrschende katholisirende Richtung nicht gerade günstig. So ist die ganze Gegend in
nationaler Hinsicht bis auf den heutigen Tag sehr gemischt. In diesem Jahrhundert hat
das Magyarenthnm meist nur in den größeren Gemeinden und unter den Deutschen
Fortschritte gemacht. Nach der ethnographischen Seite hin ist also da durchaus keine Ein
heit oder Individualität zu finden. Nur die noch erhaltenen Abkömmlinge der ursprünglichen
magyarischen Siedelungen zeigen eine gewisse Originalität in ihrer palöczisch angehauchten
Mundart, im schlanken Wüchse und in der eigenthümlichen Tracht der Weiber mit dem
kurzen Kittel und der hochgegupften Sturzhaube.
Eine größere Rolle hat das Volk dieser Gegend in der ungarischen Geschichte nie
gespielt. Desto bedeutender war die Rolle der Gegend selbst, die der Schauplatz ausschlag
gebender Ereignisse geworden ist.
Wie schon in römischer Zeit der nordöstliche Straßenzug des großen Verkehrs
wahrscheinlich hier durchging, so verkehrten auch Ofen und Pest nebst Umgebung mit der
Theißgegend durch das Thal des Räkvs und dessen Fortsetzung, die Thäler des Täpiö
und der Galga. Die von Osten und Norden von den Stammsitzen des Magyarenthums
kommenden Schaaren schlugen hier ihre Schlacht mit dem Westen, um das Donauknie, das
Herz des Landes zu gewinnen. In der Gegend von Mogyoröd und Czinkota besiegte (1074)
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