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welche zur Moschee geworden war, wurde nach der Rückeroberung alsbald wieder in eine
katholische Kirche verwandelt. Auch das Rathhans wurde ans den erwähnten Verkehrs
rücksichten dort erbaut, wo es steht und schon bei mancher Überschwemmung im Wasser
stand. In seiner gegenwärtigen Form ist es ein ganz modernes Gebäude, das ans dem
Jahre 1844 stammt und seitdem sogar noch ein neues Stockwerk erhalten hat. Übrigens
vermag es trotzdem nicht einmal die Hälfte der städtischen Ämter aufzunehmen, es mußte
vor kurzem ein neues Rathhaus gebaut werden.
In der ersten Hälfte des XVlll. Jahrhunderts gedeiht Pest sehr langsam. Erst im
XIX. Jahrhundert nimmt das Wachsthum einen lawinenmüßigen Charakter an, zu dessen
ungefährer Kennzeichnung hier einige Ziffern stehen mögen:
Im Jahre 1776 hatte Pest 13.000 Einwohner
1780
1799
1810
1820
1830
1840
16.000
29.000
35.000
47.000
62.000
(nach der Überschwemmung) 66.000
1847 bis 1851 106.000
Diese stufenweise Zunahme erfolgte so manchem Hinderniß zum Trotz. So wurde
die Entwicklung, im Vergleich mit anderen großen Städten, durch den Umstand bedeutend
aufgehalten, daß nach 1686 der ganze Umkreis von Pest weithin weder Stadt noch Dorf
aufwies. Die Nachbardörfer, welche vor der Besetzung durch die Türken bestanden, waren
vom Erdboden verschwunden, darunter Megyer in der Richtung des heutigen Neu-Pest,
Jenö am linken Ufer gegen die Margaretheninsel hin, Uj-Becs (Neu-Wien) in der Gegend
des jetzigen Neugebäudes, Szentfalva ungefähr bei den jetzigen Lagerhäusern, ganz
abgesehen von Süly, dem fraglichen Pärdö und Räkosfalva im Osten. Für das Wachs
thum der modernen Großstädte (London, Paris, Wien) war es aber von Wichtigkeit, daß
sie fortwährend die benachbarten alten Dörfer und Städtchen aufsaugten. Pest dagegen
colonisirt die Ortschaften, die es jetzt umgeben (Neu-Pest, Klein-Pest, Steinbruch und
andere) von Anfang an aus dem Schooße seiner eigenen Bevölkerung. Dieser Mangel
an Nachbarortschaften brachte allerdings auch den Vortheil mit sich, daß der billige, fast
umsonst zu habende Boden, oder sagen wir Sand, im Umkreise von einer bis zwei Weg
stunden der Ausdehnung unbeschränkte Freiheit ließ. Freilich ist gerade dies wieder ein
angeborenes Gebrechen Pests; die Ausdehnung erfolgte eben einigermaßen auf Kosten
seines städtischen Charakters.