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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 4

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Die westliche Front der großen Kirche blickt auf das bischöfliche Palais, die 
östliche auf andere geistliche Gebäude und die Kapitelgasse; ihr zu Füßen liegt die schönste 
Promenade von Fünfkirchen und das Viereck des Scitovßky-Platzes. Den Hintergrund 
bildet der Kreis von Bergen, der die Stadt umzieht, mit Landhäusern bestreut, auf deren 
Stirne eine Wolke zu ruhen scheint wegen des unsichtbaren weinverwüstenden Unthiers. 
Doch ist deshalb das fröhliche Fünfkirchner Völkchen den alten Stätten seiner Lustbarkeit 
nicht untreu geworden und wandert hinaus, zu ruhen und seinen Kummer zu vergessen, 
mit einem Blick hinab ans Hoffnung und Zukunft in Gestalt der blühenden amerikanischen 
Rebenpflanzung. Von da schweift sein Auge dem Zeltlager zu und es erinnert sich, daß 
nicht nur die Soldaten Fünfkirchen lieben, sondern auch die Könige, die sich gern auf 
diesen schönen Punkt herablassen, um das Kriegsspiel zu beobachten, das sich von Zeit 
zu Zeit um das Zeltlager her als Fünfkirchner Manöver wiederholt. 
An Allem, was das Auge sieht, scheint sich das Sprichwort zu bewähren: „Dem 
Deutschen Laos (Wien), dem Ungarn Uoos (Fünfkirchen)", und auch des Großsultans 
ererbtes Lob: „Ein irdisches Paradies". Allein die Bevölkerung überläßt keineswegs 
Alles der Natur; sie trachtet ihre Umgebung zu verschönern, ihr Leben zu versüßen. Neben 
den Hallen der Wissenschaft und Andacht entwickelt sich auch das Kunstgefühl. Malerei, 
Plastik, Baukunst, Musik, Theater finden ihr Publikum, ihre Schützer und Factoren; die 
öffentlichen Plätze beweisen es und die Friedhöfe mit ihren schmucken Denkmälern. Und 
überdies war Fünfkirchcn schon vor zweihundert Jahren die Stadt der Rosen und fit 
noch jetzt die Stadt der Blumen. Seine Bewohner lieben und züchten die Blumen leiden 
schaftlich. 
Die Geschichte Fünfkirchens ist groß und merkwürdig, sie ist identisch mit der seines 
Comitates, doch mit dem Unterschied, daß der Stadt vom Guten und Schlimmen mehr 
zutheil wurde. 
Sopiane hieß sie als Hauptstadt des römischen Unter-Pannoniens, als Mittel 
punkt der römischen Heer- und Handelsstraßen, und damals wird sie wohl eine Stadt 
von ganz römischer Physiognomie gewesen sein. In ganz Europa, sagt Michael Haas, 
gibt es außer Italien keine Stadt, in der so viele und vielerlei römische Alterthumer zu 
finden wären als in Fünfkirchen. Das Pflaster, die Wasserleitung sind römischen 
Ursprungs, was vom archäologischen Gesichtspunkt zwar sehr schön ist, aber von den 
Fünfkirchnern selbst nicht gerade gepriesen wird. Denn die Antiquitäten sind schon, aber 
sie gehören in die Museen. Altchristliche Kultur verkündet jene dem IV. Jahrhundert 
ungehörige unterirdische Begräbnißkapelle, die vor der Südfront des Domes zu sehen 
und schon an und für sich ein starker Beweis dafür ist, daß St. Stefan hier nicht das 
Christenthum, sondern, als an einem dazu berufenen Platze, schon das Bisthum selbst zu
	        
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