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Gegenüber sieht man das fürstlich Eggenberg'sche Haus, in dessen Hvfraume die
Protestanten nach dem Jahre 1674 ihren Gottesdienst abhielten; die Kanzel ist auf dem
Gang im ersten Stock noch heute zu sehen. Weiterhin gelangt man zu dem im Jahre 1747
erbauten Ursulinerinnenkloster. Die Kirchengasse führt zu dem großen Gebäude der
Staats-Oberrealschule; ihr gegenüber steht der hübsche israelitische Tempel, nebst neuem
Schulgebäude. Wenige Schritte weiter und man steht auf dem Szechenyi-Platz. Hier ist
die zweithürmige Dominicanerkirche zu beachten, die im Jahre 1664 durch die verwitwete
Gräfin Erdödy, geborene Elisabeth Batthyany, erbaut wurde. Außer den genannten
Instituten erwähnen wir noch die staatliche Handelsakademie, die evangelische Lehrer
bildungsanstalt, die Erziehungsanstalt für Offizierstöchter, das mit dem Öffentlichkeits-
rechtc ausgestattete Lähne'sche Privatinstitnt und das Ödenburger Comitatsmuseum.
Ödenburg ist nicht nur Sitz des Comitats, sondern auch der Post-, Telegraphen-
und Finanzdirection, des königlichen Gerichtshofes und Bezirksgerichts, der Filiale der
Österreichisch-ungarischen Bank, sowie einer Handels- und Gewerbekammer. Unter den
Vereinen für Pflege der Wissenschaft und Kunst stehen voran: der durch Adolf
Frankenburg gegründete „Künstler- und Schriftstellerclub", der archäologische Verein, der
Verein zur Förderung der ungarischen Bühne und der nahezu 70 Jahre alte Mnsikverein.
Das Turn- und Löschwesen hat in Ödenbnrg zuerst eifrige Pflege gesunden und der zu
diesem Behufe gegründete Verein ist der älteste in Ungarn. Verdienstvoll wirkt noch der
städtische Verschvnerungsverein, namentlich auch, indem er durch Anlage guter Wege
die schone Gegend gangbar macht. An den unteren Lehnen des nahen Gebirges befinden
sich zahlreiche Gärten mit sehr hübschen Landhäusern. Endlich ist nenestens eine Wasser
leitung eingerichtet, welche täglich 2000 Cubikmeter des besten Wassers liefert.
Die Südbahn befördert von Ödenburg in die Berggegend. Man passirt Wandorf
(Bänfalva), dessen altes Paulinerkloster jetzt ein Nonnenkloster ist, dann Schadendorf
(Somfalva), das wohlhabende Agendorf (Ägfalva) und Marz (Marcz) und gelangt
nach Mattersdorf (Nagy-Marton, früher Martonfalva). Dieses liegt an beiden
Ufern der Vulka (früher Seleg) in einem Thalkessel; es ist Großgemeinde und Bezirksort
mit 2869 christlichen und 752 jüdischen Einwohnern, welch letztere eine besondere
Gemeindeorganisation haben. Mattersdors ist als Stammsitz der mit Constantia, Gattin
des Königs Emerich, aus Aragonien eingewanderten gräflichen Familie von Mattersdorf,
später von Forchtenstein, zu betrachten; es wurde durch Emerich dem Wojwoden Benedict
geschenkt. Die alte Burg Martun ging vermuthlich im Jahre 1287 zu Grunde, als
Herzog Albrecht von Österreich, um seine durch Johann von Güssing erlittene Niederlage
zu rächen, in das Land einbrach und, nachdem er das ungarische Heer bei Mattersdorf
geschlagen, die Westgrenze des Comitats besetzte.