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an die Ohren der weinenden Frauen und Kinder. Dann auf einmal verstummte der Ton,
Dunkelheit und Sturm und Woge verschlangen die Sänger der heiligen Lieder. Im
Jahre 1868 entstand bei helllichtem Tage plötzlich ein gewaltiges Sturmwetter und
begrub 18 Fischer aus Balatonsö-Kajär unter die anfgethürmten Schollen des aufgerissenen
Eises. Ein neunzehnter Fischer blieb unerklärlicher Weise unter dem Schollengeschiebe am
Leben. Zn Hunderten wissen die Uferleute solche und ähnliche Fülle zu berichten.
Die Uferleute sprechen auch fast nur von solchen Dingen. Lieder, Sagen, Volks
märchen, alte überlieferte Erzählungen über den Plattensee kennt das Volk wenig.
Allenfalls wird erzählt, daß einst, in uralten Zeiten, an der Stelle des Plattensees ein
Torf gestanden habe, das aber versunken sei und daß der Klang seiner Kirchenglocken
zuweilen auch jetzt noch aus den Tiefen der Gewässer emporklinge. Diese fromme Sage
ist schon ein Kind der christlichen Zeit und kommt auch nicht dem Plattensee allein zu.
Auch an den Ufern anderer größerer Seen ist ähnliches Gerede heimisch.
Die Wissenschaft hat, wie wir bereits erwähnten, erst in den letzten Jahren
begonnen, sich mit dem Plattensee fachmännisch zu beschäftigen. Wenn die zoologischen und
botanischen Forschungen beendet sind, wird die Fachwissenschaft in der Kenntniß der
mikroskopischen Thiere und Pflanzen einen Fortschritt zu verzeichnen haben. Dies ist
schon nach den bisherigen Ergebnissen dieses Strebens als sicher anzusehen. Obgleich
nämlich die mit großem Eifer betriebene wissenschaftliche Forschungsarbeit noch keineswegs
beendigt ist, sind dennoch bereits zahlreiche neue Arten festgestellt. Vor zehn Jahren kannte
man von den wirbellosen Thieren des Plattensees kaum 70 bis 80 Arten und gegenwärtig
sind schon 438 Arten beschrieben und eingetheilt, worunter mehrere, die eine Erweiterung
unseres zoologischen Wissens bilden. Die Zahl der Fischgattungen beträgt 28. Diese sind
Wohl von Otto Herman in einem ausgezeichneten Werke beschrieben, allein auch sie wurden
einer neuerlichen fachmännischen Beobachtung unterzogen und werden in den nächsten
Publikationen der Plattensee-Commission neu bearbeitet werden.
Ebenso reich wie an Mikrozoen, ist der Plattensee auch in seiner Mikroflora.
Die botanischen Beobachtungen haben bisher einen wunderbaren Artenreichthum der
herrlichsten Moose, Algen und Flechten an das Tageslicht der Wissenschaft gefördert.
All dieses Material und so auch die höher entwickelten Pflanzen (Wassergras, Rohr
und Schilfarten u. s. w.) wird die Plattensee-Commission in einem großen Werke,
dessen Erscheinen bevorstcht, dem für die Wissenschaft empfänglichen größeren Publikum
zugänglich machen.
Zn erwähnen ist noch, daß wiederholt davon die Rede war, ob der Plattensee nicht
trocken gelegt werden könnte und welcher Nutzen sich daraus für das Land und insbesondere
für die Eigenthümer des Seebeckens ergeben würde.