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Diese Culturmission Siebenbürgens tritt am Ende des XVII, Jahrhunderts zurück,
seine politische Mission aber endet, nachdem es seine Ausgabe in der Geschichte dev
ungarischen Staates so glänzend ersüllt, mit der Wendung in den europäischen
Verhältnissen. Denn die siegreichen deutschen und ungarischen Waffen des auch mit der
heiligen Stefanskrone gekrönten deutschen Kaisers verdrängen nach und nach die Türken
vom Gebiete des ungarischen Reiches. Nach der Vertreibung der Türken aber hätte die
Selbständigkeit Siebenbürgens — vom Gesichtspunkt des ungarischen ^Staates ans
einen Sinn nur noch gehabt, wenn sich die vom anderthalbhundertjührigen Tinkenjoch
befreiten ungarländischen Theile um Siebenbürgen hätten gruppiren können. Allein dies
konnte nicht geschehen, weil der unterbrochene Zusammenhang zwischen den westlichen und
östlichen Theilen des ungarischen Alföld sich von selbst wiederherstellte und damit auch
die territoriale Integrität des Landes wieder zu erstehen begann, von dem natürlichen
Mittelpunkte des neuerdings geeinigten Alföld aber Siebenbürgen zu weit abseits liegt;
und dann war dieses kleine Land durch die langwierigen Kämpfe so erschöpft, daß es sich
dem an Macht erstarkten Kaiser-König überliefern mußte. Die natürliche Consequenz der
neuen Lage ist es dann, daß auf Grund des Leopoldinischen Diploms Siebenbürgen
mindestens in Personalunion mit dem Mutterlande gelange, was denn auch geschah.
So führt es denn noch etwa anderthalb Jahrhunderte lang kein selbständiges, aber
doch ein gesondertes Dasein, als einfache Provinz eines als großes Ganzes angesehenen
„Reiches" und eines der Werkzeuge dieser „Reichs"-Politik. Es verknöchert in jenen
Landes-Jnstitutionen, die in der Vergangenheit zur Erfüllung der dem Lande obliegenden
Aufgaben zweckmäßig, die aber nicht geschmeidig und geeignet genug waren, um dem
Begriffe, den die Geschichte als „Land Siebenbürgen" gekannt und gewürdigt hat, ethischen
und politischen Inhalt einzuflößen. Selbst der Titel eines Großfiirstenthums, mit dem
es durch die Dankbarkeit Maria Theresias und die Politik ihrer Minister geschmückt
wird, haucht dem Abseitsgestellten, an sich Schwachen kein neues Leben ein, sondern gibt
der verrosteten Maschine nur einen neuen Lacküberzug. Kurz, Siebenbürgen ist nicht mehr,
was es war. Selbst sein Volk hat sich geändert, es ist nicht mehr dasselbe, das dem Lande
einst eine Seele gegeben. Die endlosen Kämpfe zweier Jahrhunderte haben das die Ebenen
und Thalschaften bewohnende Magyarenthum furchtbar gelichtet. Während diese Magyaren
zur Vertheidignng ihres Bodens, ihres Stammes und der westlichen Civilisation ihr Blut
so reichlich vergossen, wurden ihre Wohnsitze in den Thalschaften und Ebenen - wie ein
scharfsinniger kaiserlicher Oberbeamter um die Wende des XVI. und XVII. Jahrhunderts
an Ort und Stelle beobachtet hat — langsam, aber zusehends durch ein Hirtenvolk
fremden Stammes besetzt, das theils von den Bergen und deren Schlupfwinkeln nieder
wärts zog, theils aus dem Lande jenseits der Alpen über die Berggrate hereinwanderte,