Der Zeichen- und Kunftunterricht.
27
Mit erwähnenswerthen Leiftungen waren ferner vertreten die gewerblichen
Fortbildungsfchulen von Ulm, Kirchheim, Laupheim, Mergentheim, Tübingen,
Neresheim, Aethauffen, Elingen, Blaubeuren, Waldfee, Herbertingen, Spaichingen
und Horb.
Die Reutlinger Frauen-Arbeitsfchule hatte fehr gefchmackvolle Hand
arbeiten und auch fehr nette Zeichnungen ausgeftellt. DerUnterricht im Zeichnen
und Coloriren ftellt fich an diefer Anftalt in ftufenweifer Entwicklung die Aufgabe,
die Schülerinnen zu eigenem Erfinden und Ausführen von gefchmackvollen
Muftern für die verfchiedenen Zweige der weiblichen Handarbeiten anzuleiten ;
demfelben geht zur Seite der Unterricht im Conftruiren von geometrifchen Flach
figuren und Körpern.
Auch die Zimmermaler-Schule in Reutlingen hatte Leiftungen ihrer
Schüler vorgelegt, die jedoch in Hinficht auf Gefchmack Manches zu wünfchen
übrig liefsen; dasfelbe wäre von den Deffins der dortigen Webefchule zu fagen,
welche weder in Bezug auf Farbenharmonie noch in den Formen befriedigten ;
etwas leichter und graziöfer waren die Motive der Webefchule von Hei
de nh e im.
Stuttgart, als die Centralftelle des kunftgewerblichen Unterrichtes, nahm
mit feinen höheren Schulen felbftverftändlich auch bezüglich der Leiftungen die
bedeutendere Stelle ein, und wir haben hier im Anfchluffe des bereits Erwähnten
zunächft von der königlich würtembergifchenKunftgewerbe-Schule zu fprechen. Die
Leiftungen diefer Anftalt waren im Mittelraume des Pavillons in hübfcher deco-
rativer Anordnung ausgeftellt, fo dafs die verfchiedenen Schularbeiten gleichfam
ein architektonifches Ganzes ausmachten. Es war von der Commiffion darauf
Rückficht genommen, alle Zweige des Zeichnens und Modellirens, welche an der
Anftalt gepflegt werden, zur Anficht zu bringen. Im Stile dominirte die Renaiffance ;
doch fanden fich unter den Zeichnungen auch fehr fchöne Studien nach claffifchen
Denkmalen, Pompejanifchen Wanddecorationen u. a. Sehr zu loben waren
Conturornamente, die, mit den einfachften Mitteln (in einem Ton mit Sepia)
plaftifch gemacht, für den Zweck der Gewerbetreibenden gewifs ebenfo dienlich
find, als die minutiös ausgeführten Kreideftudien. Von den ausgeftellten plaftifchen
Gegenftänden verdienen befonders die ftilvollen Metallarbeiten hervorgehöben zu
werden. Die Holzfchnitzereien zeugten von bedeutender technifcher Gewandtheit
der Verfertiger. Schwächer war nur die figurale Plaftik vertreten, worin denn
freilich eine gründliche Schulung in gewerblichen Kreifen mit grofsen Schwierig
keiten zu kämpfen hat. Die Anatomie des Ornamentes löft fich in der einfachen
tabtmäfsigen Entwicklung des Motives auf und ift in der Praxis bald zu erreichen ;
anders verhält es fich jedoch bei der Geftalt des Menfchen, bei welchem die
Formen mehr der Willkür folgen und ftets von einer geiftigen Idee durchdrungen
fein mtiffen. Beffer war das Figurale im Zeichnen fowohl nach der Antike als
nach dem Acte repräfentirt. — Im Linearzeichnen hält man fich in der
Architektur und dem Decorativen ausfchliefslich an die claffifchen Vorbilder.
Die königliche Baugewerk-Schule zu Stuttgart hatte von ihren Schülern aus
allen Gebieten des gewerblichen Zeichnens vorzügliche Leiftungen ausgeftellt;
darunter die Pläne ihres ftattlichen Gebäudes felbft. In fchöner Zufammenftellung
(auf zwei Wänden in dem füdlichen Trabte des Pavillons) wurden Aufnahmen von
Bauwerken verfchiedener Stile, decorative Architekturwerke fwoiuntei mufterhaft
durchgeführte, polychrome, griechifche Ornamente) und felbftftändige Entwürfe
der Schüler in dem Gebiete der Architektur und des Mafchinenbaues zur
Anfchauung gebracht.
Der Zweck der Baugewerk-Schule ift es, zunächft durch fyftematiich geoid-
neten Unterricht Baugewerk-Meifter, Hoch- und Waffer-Bautechniker, Geometer
und Mafchinenbauer für ihren Beruf auszubilden. Der Unterricht zerfällt in einen
vorbereitenden und fpeciellen Berufsunterricht, und wird letzterer nicht nur in
theoretifcher, fondern auch in praktifcher Richtung gegeben.