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Die traurigen Lehren des Tatareneinfalles waren auch hier der Hauptantrieb zum
Banen mit festerem Materiale. Die Colcmisten säumten auch nicht, die so gebotene
Gelegenheit zu ergreifen. Als dann durch die Gunst der Anjou'schen Könige und den
bald eintretenden wirthschaftlichen Aufschwung die „Gaste" zu einer sächsischen Nation
erstarkt waren, anderseits aber im XV. Jahrhundert die Türken immer wieder ins Land
brachen, dessen innerer Zustand zugleich ein verworrener war, da wurde dieses System
des Befestigungswesens zur Nothwendigkeit. Wie rege die Thätigkeit auf diesem Gebiete
wurde, geht schon aus der großen Zahl solcher Gemeindefestungen hervor, die sich bis heute
erhalten haben.
Das XV. Jahrhundert ist die Blüthezeit der sächsischen Vertheidigungskirchen.
Damals kam ihre Entwicklung in Verbindung mit dem gothischen Baustil zum Stillstand
und sie erhielten die Gestalt, in der die meisten noch jetzt bestehen. Kunstwerth besitzen
sie keinen; dieser lag auch nicht in der Absicht, da sie in aller Eile ohne Sorgfalt und
Schmuck aufgebaut wurden. Immerhin sind sie höchst interessante Ergebnisse der dortigen
Ordnung der Dinge, welche die kirchliche Architektur nothwendigerweise modificirend
beeinflußte und die Verbindung der kirchlichen mit der defensiven Baukunst unentbehrlich
machte, so daß die Erfordernisse der Sicherheit dem zum Gottesdienste bestimmten
Gebäude ihren Stempel aufdrücken. So entsteht eine ganz eigene Art Bauten von
doppeltem Charakter, deren kennzeichnender Zug es ist, daß der Verthcidigungszweck sich
im Äußern der Kirche in organischer Gestaltung offenbart.
Die Vertheidigungskirche, die Pfarrkirche einer größeren oder kleineren Gemeinde,
erhebt sich in der Mitte eines einfach oder doppelt ummauerten Hofes, zuweilen auf dem
weiten Hauptplatz des Ortes, öfter jedoch auf einem Hügel außerhalb desselben, der Wohl
auch einigen natürlichen Schutz gewährt. Die Umfassungsmauer ist durch etliche Thürme
verstärkt; es gibt deren bis zu fünf. Sie gleichen vollkommen den in Oberungarn häufigen,
aber auch in diesem Landestheile vorkommenden Kirchthürmen; in der Regel sind sie
quadratisch und haben oben eine hervorspringende offene Galerie aus Holz, über der sich
das ungemein hohe Dach, bald in Pyramiden-, bald in Zeltform, erhebt. Der Eingang
befindet sich meist am Fuße eines der Thürme. Im Burghofe erhebt sich, dem als letzte
Zuflucht dienenden Bergfried vergleichbar, in der Mitte des so geschützten Raumes die
Kirche, die selbst wieder eiu Befestiguugsbau ist.. Die Massigkeit ihrer untersetzten,
düsteren, zuweilen trotzigen Erscheinung verrätst auf den ersten Blick ihre Bestimmung. Was
sie etwa an Gliederungen und geringem Schmuck aufweist, dient alles der Vertheidigung.
Die Mauern sind von wenigen schmalen, nicht sehr hohen Fenstern durchbrochen und durch
mächtig vorspringende Stützpfeiler gegliedert, die durch Rundbogen verbunden, ringsum
eine hohe, schwerfällige, der Wand folgende Blendarkade bilden. Hinter den Bogen dieser