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dem Gaste zu seiner Rechten, dem Fürsten Berich dar, worauf er der Reihe nach jedem
wertheren Gaste zutrinkt; die Männer stoßen die Becher aneinander und erwiedern so die
Trinksprüche; noch heute halten es die Magyaren nicht anders. Am Schlüsse des Gast
mahls traten zwei jugendliche scythische Sänger an den Tisch Attilas und sangen Helden
lieder von Tagen des Sieges, von tapferen Ahnen und einem neuen Vaterland.
Auf flammten da die Angesichter der Jünglinge und die Alten vergossen Thränen der
Freude und des Kummers. — Und noch heutigen Tags „erlustigt sich weinend der
Magyare". Nach diesen kamen fremde Gaukler, die hohen Herren zu unterhalten; zum
Hanswurst war der hunnische Stamm nicht tauglich.
In all dem Gelächter blieb nur Attilas Antlitz ruhig, streng und kalt; nur als sein
jüngstes Söhnlein zu ihm trat, schien er aufzuthauen. Er umarmte ihn mit väterlicher
Zärtlichkeit, lächelnd; die Seher hatten ihm verkündet, dieser würde nach ihm das Reich
aufrechterhalten.
Anderen Tages entließ Attila die Gesandten des Kaisers, mit Geschenken schwer
beladen; kein hartes Wort hatten sie von ihm gehört. Sie waren seine Gäste und die
Person des Gastes ist dem Magyaren auch heute noch heilig. Erst nachdem die Gesandt
schaft abgereist war, sandte er ihr sofort seine eigenen Boten nach mit der harten Antwort
an den griechischen Kaiser; er warf ihm vor, er habe sich des glorreichen väterlichen
Namens unwerth gemacht, da er zum meuchlerischen Dolche griff, und ließ ihm den von
Edekon empfangenen Sündenlohn vor die Füße werfen.
Später wendet er sich gegen Westen, dringt bis Lutetia vor, wo er auf einen seiner
würdigen Riesen trifft; drei Feldherren stellen sich ihm entgegen, der Römer Aetius, der
Gvthe Thorismond und Theodorich. Da läßt er sich vor der Schlacht durch seine küllos-
Priester die Zukunft künden, und diese prophezeien, daß der feindliche Führer fallen, ihm
aber der Sieg trotzdem nicht verbleiben werde. Vor der Schlacht hält er eine Rede an seine
Heere und spricht zu ihnen von den „Freuden der Schlacht", in der er selbst den ersten
Speerwurf thun werde. Den ganzen Tag dauert die Schlacht, Theodorich fällt,
160.000 Todte decken die Wahlstatt, aber der Sieg neigt sich weder dem einen, noch dem
andern Theile zu. In diesem Kampfe war die Schlachtordnung beider Heere so verwirrt,
daß kein Theil wußte, ob er gesiegt habe oder besiegt sei. Am Abend vor der Schlacht hatte
Attila einen Scheiterhaufen aus Sätteln errichten lassen, auf diesem wollte er sich
verbrennen, um nicht in die Gewalt seiner Feinde zu gerathen. Jetzt machte er Kehrt und
zog in sein Reich zurück.
Um diese Zeit war er schon dem hundertsten Lebensjahre nahe. Und jetzt entbrannte
die römische Kaisertochter Honoria in verhängnißvoller Liebe zu ihm; die Auguren hatten
geweissagt, daß um ihrer Liebe willen das römische Reich in seinen Grundfesten erbeben