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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 1

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das von Beidem unzertrennliche Reiten erforderten luftig-kühles, weißes, weitfaltiges, 
leichtes Gewand. Das war so recht, was die Leinwand bieten konnte. Anderseits verlangte 
der Schauplatz seiner Beschäftigung: Wald, Feld, Strom, daß die freie Bewegung der 
Beine durch kein Gewand behindert, das Kleid also nach unten möglichst kurz sei. Diese 
Kürze hat dann aber auch noch eine andere Bedeutung. Das Bein ist das repräsentative 
Ende des ganzen Körpers; gesunde Beine verrathen einen gesunden Körper, darum hält 
man es nicht für nöthig, sie zu verdecken. Daraus erklärt sich, daß die ungarische Volks 
tracht der Farbe nach zum Weißen neigt, dem Schnitt nach das Reichfaltige liebt, welches 
die Gestalt verhüllt und doch auch hebt, in der Ausschmückung aber der Kunst der 
Hausindustrie den Vorzug gibt (Stickerei, Stepperei, Fadenziehen, Spitzenarbeit, Flach- 
und Hohlsäume, Gefältel, Fransen- und Krausenwerk u. s. w.). 
Weiß, reichfaltig und kurz, mit diesen drei Worten ist die ungarische Volks- oder 
Bauerntracht zu kennzeichnen. Das Wort „Bauer" erscheint dem Magyaren als nichts 
Erniedrigendes, wenn er selbst es auf sich anwendet, ja er nennt sich und seine Tracht 
sogar mit einem gewissen Selbstgefühl „bäuerisch". Nur auf die Sitten angewendet, 
bedeutet ihm das Wort Rohheit, bei der Kleidung aber ist es gleichbedeutend mit Schmuck 
losigkeit. So verwendet es auch Arany, wenn er die Rüstung Toldis schildert: 
Seinem Dolmäny ließ nichts „Bäurisches" der Schneider. 
Das bisher Gesagte bezieht sich auf die ganz allgemein getragenen Kleidungsstücke. 
Die von besonderer Art — Winter- und Oberkleider — gingen selbstverständlich über die 
Hausindustrie hinaus und stehen auch mit den eben erwähnten Grundsätzen nicht im 
Einklang. Aber auch diese wurden aus Stoffen gefertigt, deren Bearbeitung, wenn auch 
nicht im Hause, doch gleichsam unter unseren Augen vor sich geht, und die Handwerker, 
welche sich mit ihnen beschäftigen, sind in den von Magyaren bewohnten Gegenden 
sämmtlich Magyaren (Schuster, Tuchwalker, Lodenschneider), ja sie setzen sogar dem Namen 
ihres Handwerks eigens das Unterscheidnngswort „magyarisch" vor. (Magyarischer 
Schneider, magyarischer Schuster, magyarischer Kürschner.) 
Wo aber sind die festgestellten drei kennzeichnenden Eigenschaften heute noch 
beisammen zu finden? Nirgends, mit Ausnahme vielleicht etlicher entlegenster Winkel des 
ungarischen Bodens. Gerade der Kern des Magyarenthums, die eingeborne Bevölkerung 
der großen Alföld-Städte, hat sich geändert und auch ihre Kleidung in Farbe und Stoff 
den westlichen Mustern anbequemt, indem sie das Dunkle dem Hellen, Tuch und Seide 
der Kürschner- und Leinenwaare, das Anschließende dem Pluddrigeu, das Taillenkleid dem 
Ärmelhcmde (inAväll) vorzog. Da und dort verstreut findet sich jedoch noch immer die 
ursprüngliche kurze und weite Kleidung; das Weiße in seiner vollen Reinheit herrscht nur 
noch an einem einzigen Punkte, während es anderwärts blos als „inAväll" noch vorhanden
	        
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