4.86
Rändern ein Nebelschleier, der sich immer dichter webt; erst ist er weißlich gefärbt, bald
aber bleigran und mit Wolkenklumpen gesprenkelt, die sich immer höher heben. Tiefe
Stille lagert sich über die Puszta; der Csikös der Hortobagy treibt seine Pferde aus dem
„Borsös" heraus und in die Hürde neben seiner Hütte hinein, auch die übrigen Hirten
lenken ihre Herden entweder an die Hütte hin, in der sie sich schützen, wenn sie sich nicht
etwa den Szür um den Hals hängen, die Hutkrempe tief herabstülpen und so, dicht bei
ihrer Herde, den Regen erwarten. Die Wolken haben den Zenith überschritten und jetzt
durchzuckt sie der erste Blitz; in raschem Laufe fegt der Wind den Staub über die Ebene
hin und hinter ihm schießt der Platzregen hernieder ans das Alföld; aber der Hirt freut
sich, daß er naß wird, denn nun wird es ja wieder gute Weide geben, und nicht minder
der Landwirth, denn nun bleibt seiner Arbeit der Segen nicht aus.
So ausdauernd sich der Himmel über dem Alföld im heiteren Zustande zeigt, indem
er wochenlang das nämliche, lächelnde, blaue Gewölbe bildet, ebenso beständig pflegt auch
der Regen zu sein, wenn er einmal an die Reihe kommt. Bei regnerischem Wetter schwinden
die Sprünge des Erdreichs, die Flachmulden füllen sich mit Wasser, auf der Landstraße
gleitet das Wagenrad nicht sowohl auf seinen Felgen, als auf seiner Nabe dahin; nicht
mehr die „Tochter der Wellen", die Zauberin Fata Morgana (Oölibäb) spiegelt dem
Wanderer das Wasser vor, denn es entstehen wirkliche Teiche, die „Jnnenwässer" mehren
sich und auch das Grundwasser bricht da und dort zu Tage. Haben dann in solchen
Zeitläuften die Schneeschmelze oder Regengüsse im Gebirge die stillen Flüsse der großen
Ebene angeschwellt, so ist deren Bett gefüllt, ja sie unterwaschen sogar die zu ihrer
Bändigung angelegten Schutzdämme, sie „drücken den Deich", dieser beginnt dem Sicker-
wasser zu weichen, er kann nicht mehr widerstehen, er bricht. Wenn so die Theiß oder
Körös, die Maros oder Temes die Dämme durchbrechen, welche ihren Lauf regeln, wenn sie
ihre Schranken hinwegschwemmen, dann verbreitet sich weithin ihr Gewässer und an vielen
Stellen wird das Alföld zum Meer. Da kann dann der durstige Alföldboden sich satt
trinken; aber die Fluth bedeckt auch dem Landwirth die Früchte seiner mühseligen Arbeit,
welche unter den schlammigen Wellen zugrunde gehen. Der Landwirth im Alföld sieht das
mit einer Art gleichgiltiger Ruhe an, indem er sich sagt: das sind die Dornen, die Rosen
des Erfolges werden mir schon wieder blühen. Und sie blühen in der That; der Ertrag eines
günstigen Jahres macht Vieles wieder gut, zwei solche Jahre heilen die Wunden, geben
Kraft zu neuer Arbeit, stählen die Ausdauer des Landwirthes, und von dieser Ausdauer
hängt es ja ab, daß er auf diesem Boden im Kampf ums Dasein Sieger bleibe.
So ist also die große Ebene Ungarns beschaffen, auf welcher der Kern des
Magyarenthums zu Hause ist. Wenn die landschaftliche Schönheit in Abwechslung besteht,
so ist sie da kaum zu finden. Beinahe überall bietet das Alföld den nämlichen Anblick, und