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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 1

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Rändern ein Nebelschleier, der sich immer dichter webt; erst ist er weißlich gefärbt, bald 
aber bleigran und mit Wolkenklumpen gesprenkelt, die sich immer höher heben. Tiefe 
Stille lagert sich über die Puszta; der Csikös der Hortobagy treibt seine Pferde aus dem 
„Borsös" heraus und in die Hürde neben seiner Hütte hinein, auch die übrigen Hirten 
lenken ihre Herden entweder an die Hütte hin, in der sie sich schützen, wenn sie sich nicht 
etwa den Szür um den Hals hängen, die Hutkrempe tief herabstülpen und so, dicht bei 
ihrer Herde, den Regen erwarten. Die Wolken haben den Zenith überschritten und jetzt 
durchzuckt sie der erste Blitz; in raschem Laufe fegt der Wind den Staub über die Ebene 
hin und hinter ihm schießt der Platzregen hernieder ans das Alföld; aber der Hirt freut 
sich, daß er naß wird, denn nun wird es ja wieder gute Weide geben, und nicht minder 
der Landwirth, denn nun bleibt seiner Arbeit der Segen nicht aus. 
So ausdauernd sich der Himmel über dem Alföld im heiteren Zustande zeigt, indem 
er wochenlang das nämliche, lächelnde, blaue Gewölbe bildet, ebenso beständig pflegt auch 
der Regen zu sein, wenn er einmal an die Reihe kommt. Bei regnerischem Wetter schwinden 
die Sprünge des Erdreichs, die Flachmulden füllen sich mit Wasser, auf der Landstraße 
gleitet das Wagenrad nicht sowohl auf seinen Felgen, als auf seiner Nabe dahin; nicht 
mehr die „Tochter der Wellen", die Zauberin Fata Morgana (Oölibäb) spiegelt dem 
Wanderer das Wasser vor, denn es entstehen wirkliche Teiche, die „Jnnenwässer" mehren 
sich und auch das Grundwasser bricht da und dort zu Tage. Haben dann in solchen 
Zeitläuften die Schneeschmelze oder Regengüsse im Gebirge die stillen Flüsse der großen 
Ebene angeschwellt, so ist deren Bett gefüllt, ja sie unterwaschen sogar die zu ihrer 
Bändigung angelegten Schutzdämme, sie „drücken den Deich", dieser beginnt dem Sicker- 
wasser zu weichen, er kann nicht mehr widerstehen, er bricht. Wenn so die Theiß oder 
Körös, die Maros oder Temes die Dämme durchbrechen, welche ihren Lauf regeln, wenn sie 
ihre Schranken hinwegschwemmen, dann verbreitet sich weithin ihr Gewässer und an vielen 
Stellen wird das Alföld zum Meer. Da kann dann der durstige Alföldboden sich satt 
trinken; aber die Fluth bedeckt auch dem Landwirth die Früchte seiner mühseligen Arbeit, 
welche unter den schlammigen Wellen zugrunde gehen. Der Landwirth im Alföld sieht das 
mit einer Art gleichgiltiger Ruhe an, indem er sich sagt: das sind die Dornen, die Rosen 
des Erfolges werden mir schon wieder blühen. Und sie blühen in der That; der Ertrag eines 
günstigen Jahres macht Vieles wieder gut, zwei solche Jahre heilen die Wunden, geben 
Kraft zu neuer Arbeit, stählen die Ausdauer des Landwirthes, und von dieser Ausdauer 
hängt es ja ab, daß er auf diesem Boden im Kampf ums Dasein Sieger bleibe. 
So ist also die große Ebene Ungarns beschaffen, auf welcher der Kern des 
Magyarenthums zu Hause ist. Wenn die landschaftliche Schönheit in Abwechslung besteht, 
so ist sie da kaum zu finden. Beinahe überall bietet das Alföld den nämlichen Anblick, und
	        
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