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Im Innern des Landes, sowie in den südlichen, ja selbst nordöstlichen Theilen sind
fast alle besseren und nicht höher als 250 Meter über Meer aufsteigenden Hügel mit
Reben bepflanzt; selbst im großen Alföld gibt es ansehnliche Rebenpflanzungen, sowohl
auf kleineren Sandhügeln, als auch auf ganz ebenem Terrain. Auf jenen Weingebirgen
wachsen die herrlichen, feurigen, aromatischen Weine, in diesen Weingärten die weißen
oder Hellrothen, leichten Tischweine.
Der König der ungarischen Weine ist aber nach dem einstimmigen Urtheil sowohl
der ungarischen Weinproducenten, als auch der hervorragendsten ausländischen Wein-
consumenten der Tokajer, der weder hinsichtlich seines starken Phosphorsäuregehalts und
der hierauf beruhenden Heilwirkung, noch was Süße und außerordentliches Bouquet
betrifft, irgendwo anders seines Gleichen findet, obgleich bekanntlich Franzosen und andere
Ausländer bestrebt waren, die ungarische „Fnrmint"-Traube, welche diesen Wein ergibt,
zu cultiviren und dadurch einen dem Tokajer ähnlichen Ausbruch herzustellen, wahrend
anderseits, wie man ja auch weiß, gar vielfach und immer umsonst versucht wird, diesen
Ausbruch nachzuahmen.
Ehe wir jedoch die wichtigeren Weinbanbezirke Ungarns in Kürze charakterisiren,
seien einige Mittheilungen gemacht über den Ursprung der ungarischen Weincultur. Der
Anfang ihrer Geschichte ist in der Römerzeit zu suchen. Die Römer machten die Reben-
cnltur im Comitate Syrmien, nachher am Plattensee und noch später an der Hcgyalja
von Tokaj heimisch. Thatsache ist, daß nach dem Berichte des Aurelius Victor, Proprätors
von Pannonien, an den Kaiser Julian die erste Weinrebe in Syrmien auf dem einst
,mons aiinns« genannten Berge durch de» Kaiser Valerius Probus im Jahre 282 nach
Christi gepflanzt worden ist. Von hier aus verbreitete sich die Rebencnltur in die benach
barte Baranya und an den Plattensee, anderseits aber in die Gegend von Menes und
Arad und an die Tokajer Hegyalja des Zempliner Comitats.
Die Magyaren fanden bei ihrer Einwanderung schon an vielen Punkten den Wein
bau vor. Nach den an der Tokajer Hegyalja noch vorhandenen Überlieferungen geschah
es damals, daß Ärpäd auf seinem Heerzug längs des Bodrog sich den Weg plötzlich durch
einen hohen Berg verstellt sah. Zur Auskundschaftung der jenseitigen Landschaft entsendete
er seine Unterfeldherren Onud, Tarczal und Retel auf die Spitze dieses Berges; Tarczal
war der Erste, der oben ankam und dann Ärpäd die Meldung brachte, daß es drüben
keinen Feind gebe, sondern der jenseitige Abhang des Berges nebst den benachbarten Höhen
völlig mit Reben bepflanzt sei. Nach der Überlieferung habe Tarczal zum Lohne für guten
Kundschaftsdienst und diese überaus günstige Nachricht den erstiegenen Berg und dessen
Umgegend als Eigenthum erhalten, daher auch das unterhalb gelegene Städtchen noch
jetzt „Tarczal" heiße.