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beherrschten und ein bleibendes Reich gründeten, das sich drei Jahrhunderte lang Ul
erhalten in: Stande war.
Bajan war der erste und gewaltigste Fürst der Avaren, während dessen Regierung
der Kaiser von Byzanz durch zweiunddreißig Jahre die kriegerischen Anfälle der Barbaren
durch jährliche Geschenke zu beschwichtigen suchte. Der Krieg war trotzdem nicht zu ver
meiden und die Avaren drangen wiederholt nach Mösien, Macedonien und Thracien und
verwüsteten das offene Land, aber die Kunst der Belagerung konnten sie nicht erlernen.
Grausamkeit, Raublust und Tücke, welche die Heiligkeit des gegebenen Wortes nicht kennt,
charakterisiren ihre Herrschaft.
Sie waren im Stande, zweimalhnnderttausend Mann ins Feld zu stellen; die Gepiden
waren ihre Sklaven, und damit ihnen die ackerbauenden Unterthanen und Soldaten für
ihre endlosen Kriege blieben, siedelten sie Slaven im Lande an.
Das Glück verließ Bajan in seinen letzten Jahren; Priscus, der Feldherr des
Kaisers Maurikios, schlug ihn in fünf blutigen Schlachten und drang bis zur Theiß vor,
doch konnte er seinen Sieg nicht ausbenten, denn Kaiser Maurikios ward ermordet und
die Zwistigkeiten in Byzanz riefen den Feldherrn in die Hauptstadt zurück. Der Nachfolger
Bajans erneuerte die avarischen Einfälle in das griechische Reich, aber Herakliu» schloß
Frieden mit ihm und ward ihm tributpflichtig, um freie Hand für den Perserkrieg zu
erhalten. Noch zweimal zog derAvarenfürst mit seinem Heere hinab vor Byzanz, verbündete
sich mit den Persern und belagerte die Hauptstadt, doch wurde er zum Rückzug gezwungen.
Da wurden die Kroaten in dem Lande zwischen der Save und Drave bis zum Meere und
die Serben an dem rechten llser der unteren Donau angesiedelt. Die Avaren wurden für
die Folge friedlicher, der Wein, der Wohlstand und der Handel verweichlichten sie, die
Slaven empörten sich, doch die Avaren blieben dennoch die gefürchteten Feinde der
Nachbarländer und Völker, bis endlich Karl der Große mit seinen Franken am Ende des
VIII. Jahrhunderts in einen: mehrjährigen Vernichtungskriege sie endgiltig besiegte und
unterjochte. Von zwei Seiten, von Baiern und Italien aus geschah der Angriff. Pipin,
der Sohn des Kaisers, nahm alle Befestigungen der Avaren ein, welche die Chroniken
„Ringe" nannten, erbeutete die großen Gold- und Silberschütze, welche sie durch dritthalb-
hnndert Jahre zusammengeraubt hatten, und beschenkte damit die Kirchen des Reiches.
Die Aufzeichnungen der Geschichtschreiber über den Zustand Ungarns während der
Völkerwanderung und besonders über das Avarenreich sind höchst spärlich und lückenhaft,
sie schweigen über die Administration und die Culturzustände; um so wichtiger sind daher
die Schatz- und Grabfunde aus dieser Zeit, die von: Cnlturleben jener Völker Zeugenschaft
geben und beweisen, daß die sogenannten Barbaren durchaus nicht aller Civilisation
entbehrten.