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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 1

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in den Namen von Sziszek und Szerem das alte Siscia und Syrmium. Der jetzige Name 
aller übrigen Städte römischen Ursprungs ist vollkommen verschieden von dem alten, denn 
bei diesen ist selbst die Tradition unterbrochen worden. Sie blieben mehrere Generationen 
hindurch unbewohnt und verwüstet, ein ganz neues Geschlecht baute sie wieder auf, welches 
die alten Namen nicht mehr kannte; es entstand eine Lücke in der Tradition zwischen der 
alten und der neuen Zeit. 
Jene Völker, welche die römische Civilisation vernichtet hatten und oft sogar die 
Gräber der früheren Zeit ausraubten, waren dennoch keine ganz ungebildeten Wilden. 
Sie hinterließen zwar keine anderen Denkmäler als ihre Gräber, doch was wir in diesen 
finden, wirst hinlängliches Licht auf das Cultnrleben dieser Völker und Zeiten. 
Es ist zwar unmöglich, die specielle Nationalität der Grabfunde aus der Völker- 
wandernngszeit nachzuweisen, denn der Charakter der Civilisation dieser Epoche ist in 
ganz Europa so ziemlich derselbe und in mancher Hinsicht so ansgebildet, daß selbst 
ausgezeichnete Gelehrte den besseren Theil der Grabschätze den byzantinischen Geschenken 
und der Kriegsbeute zuschreiben. Diese Denkmäler zeugen von einer so schönen Technik, 
daß man ihnen eine höhere Cultur und ununterbrochene Tradition vindieirte; als aber 
die Funde sich mehrten, mußte man endlich anerkennen, daß sie keine eingeführten fremden, 
sondern inländischen Ursprungs seien. Die Gräber dieser Zeit sind meistens Reihengräber. 
Spuren des Brandes kommen nur selten vor. Die Todten sind in westöstlicher Lage 
begraben, mit dem Gesichte der ausgehenden Sonne zugcwendet. Den Schmuck charakterisirt 
die Fassung des dunkelrothen Dalmatins in Gold- oder Silberzellen. 
In den Grabfeldern der Keszthelyer Gegend, welche Dr. Wilhelm Lipp, der 
Prämonstratenser Chorherr, ausgegraben hat, kommt regelmäßig eine eigenthümliche, 
von der römischen ganz abweichende Form der Ohrringe vor, Filigranarbeit aus Gold, 
aus Silber, aus Bronze, und zwar in der größten Zahl. In Ober-Italien und vielleicht 
in Frankreich kommen ähnliche Ohrringe aber nur selten vor; es scheint, daß dies der 
Frauenschmuck der älteren Ostgothen- und Langobardenzeit war, der römische Stylus 
wird dabei zur Brustnadel, an die Stelle der römischen und pannonischen großen 
Gewandnadeln tritt die Scheibenfibel, bei welcher die römische Tradition häufig 
unverkennbar ist. Bei den Männern kommt die Schnalle in Gebrauch, mit ihr die enge 
Kleidung und der breite Gürtel, mit goldenen, silbernen und bronzenen Gliedern und 
Riemencnden reich verziert; ein Schwert wird nur selten bei den Todten gefunden, es ist 
gerade, zweischneidig und lang, dagegen fehlt bei den Vornehmen nie der Dolch und das 
Messer. Mit dem Häuptling wird sein Roß begraben, mit der Frau oft ihr Hund, mit 
dem Kinde manchmal ein Eichhörnchen. Auch Glasschalen finden sich in diesen Völker- 
wandernngsgrübern und am Halse der Frauen vielfältig Glasperlen. Die römischen
	        
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