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Das Hügelland zwischen Emöke und Alsö-Szöllös ist der letzte Ausläufer der Großen
Fätra, die vom Nentra-Flusse ihrer ganzen Länge nach begleitet wird. Bei Privigye tritt
die Neutra schon in ein weites Thal, und bei dem als Schwefelbad bekannten Belicz
beginnt ihr beruhigter Unterlauf. Ihr trübes Wasser treibt hier Mühlen und nährt
besonders Karpfen und Welse; für die Flößerei ist es zu seicht. Tritt es während der
Heumahd aus, so richtet sein Schlamm im Heu oft großen Schaden an; andere Ver
heerungen fallen ihm nicht zur Last, die Anrainer freuen sich im Gegentheil der im Früh
jahr und Herbst eintretenden Überfluthungen, deren Schlamm ihren Feldern ein ebenso
befruchtender Dünger wird, wie der des Nil für Egypten. Das mit Recht als reich und
fruchtbar gepriesene Thal wird von der Neutra in ihrem nordsüdlichen Laufe fast genau
iu der Mitte durchschnitten; da ist denn jeder Winkel und Zipfel unter Cultur und der
Verkehr wird durch die bis Privigye ausgebaute Eisenbahn belebt. Wer vom Darazser
Erdrücken, oder von Schloß Koros, oder von der Neutraer Burg aus das 90 Kilometer
lange und bei Belicz vier, in seiner weitesten Ausbuchtung aber 25 Kilometer breite Thal
bis nach Komjat hinab überblickt, gewinnt das Bild eines gewaltigen Complexes von
Anpflanzungen, dessen erhöhter Außenrand mit Gipfeln und Burgruinen besetzt ist,
während im Binnengebiete sich aus wogendem Saatgefilde Schloß auf Schloß und Ort
schaft nach Ortschaft hebt. Die erwähnenswertheren Gemeinden sind:
Bossäny an der Neutra, alter Stammsitz der Familie Bossänyi; die beiden noch
bestehenden Flügel des einst ausgedehnten Schlosses gehören jetzt der Firma „Schmitt's
Erben", die im Orte eine bedeutende Lederfabrik besitzt. Diese Fabrik liefert der Armee
Bakkantschen, Husarenstiefel, Tornister und Sattelausrüstungen; sie verarbeitet jährlich
20.000 Stück Rindshäute und ihre Maschinen-Treibriemen sind eine Specialität. Südlicher
folgt Nagy-Tapolcsany, vor Einführung der Eisenbahn ein Hauptort für den Handel
der nördlichen Nachbarcomitate, wo besonders die Getreidemärkte Wichtigkeit hatten. Die
berühmte Gerste des Neutrathals wird zum großen Theil noch jetzt von Tapolcsänyer
Händlern zusammengekauft. Seit 1854 ist Tapolcsany ein besuchter Wallfahrtsort. Im
benachbarten Tavarnok, einst Niederlassung königlicher Tavernici, steht in großartigem
Park das herrliche Schloß des Barons August Stummer; seine Zuckerfabrik verarbeitet
den Rübenertrag (40.000 Metercentner) der Umgegend zu Rohzucker; er besitzt übrigens
auch eine Zuckerraffinerie.
Der schönste und wichtigste Ort des Neutrathals ist aber Neutra, der Comitatssitz,
eine Stadt mit geordnetem Magistrat und zugleich Sitz des Bisthums. Letzteres wurde
noch von König Ladislaus dem Heiligen gegründet. Das bischöfliche Schloß liegt, nebst
mehreren Kapitelgebäuden, auf felsiger Höhe am Saume der Stadt. Schon vor dem
Einzug der Magyaren bestand hier eine Veste, als Schutzwerk der mährischen Slaven.