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Comitats dem Bischof verliehen, doch blieb diese Würde auch nachher von Weltlichen
bekleidet, so daß die Bischöfe der Stadt erst unter Wladislaus II. Obergespane wurden;
von da an aber hatten sie dieses Amt bis zu Gußtenyis Tode inne, der im Jahre 1766
Bischof von Neutra wurde. Eine Zeitlang hielten auch die Truppen Bocskays und
Bethlens die Stadt besetzt und im Jahre 1663, nach dem Falle Neuhäusels, fiel sie sammt
der Burg durch Verrath in die Hände einer türkischen Truppe von 6000 Mann. Der
Bischof flüchtete vor den Türken, die ein Jahr lang in der Stadt blieben und an der
Bürgerschaft große Grausamkeiten verübten. Das Befreiungsheer unter Souches wurde
also freudig begrüßt, und unter tapferer Mitwirkung der Bürgerschaft gelang es ihm im
Frühjahr 1664 den Feind aus der Stadt zu werfen. Das „Türkenthor" an der Neutra
erinnerte dann noch lange an diese Besetzung. Im Jahre 1705 nahmen die Truppen
Franz Räköczis II. die Stadt und behaupteten sie bis zum Ende des Krieges; hier
empfieng Räköczy seine Gemahlin, die als Friedenswerberin an ihn entsendet war.
Diese vielen Schicksalsschlüge trafen am herbsten die alte magyarische Bevölkerung,
die auch größtentheils zu Grunde ging. An ihrer Stelle ließen sich Slovaken, Deutsche,
Ratzen nieder. Nach und nach erstarkte jedoch das magyarische Element wieder, denn in
den Alten, die übrig geblieben waren, lebte der patriotische Geist, und heute ist Neutra
eine der magyarischesten Städte in den oberen Comitaten, der Brennpunkt magyarischer
Interessen im Oberland. Der starke Verkehr, die schönen, theils gepflasterten, theils
asphaltirten und mit Gas beleuchteten Straßen, das prächtige Stadthaus, das große
Comitatshaus, das Theater, eine ganze Reihe schöner neuer Gebäude und die lebhaft
andauernde Bauthätigkeit, das Alles stellt Neutra mit voran unter den hübscheren Provinz-
stüdten Ungarns. Das geistige Leben der gebildeten Bürgerschaft entwickelt sich immer
mehr; im Winter wirken die öffentlichen Vortrüge anregend, literarische und philanthro
pische Vereine thun ein Gleiches, auch die durch Bischof Roskovanyi gegründete und 1885
in einem eigenen zweistöckigen Gebäude nntergebrachte öffentliche Bibliothek von
42.000 Bänden trägt dazu bei. Überdies ist Neutra Sitz des oberungarischen Cultur-
vereins. Ein römisch-katholisches Obergymnasium und theologisches Institut, eine Bürger
schule und mehrere Klöster kommen hinzu. Die Fortschritte von Handel und Industrie
bekunden sich durch eine große Dampfmühle, eine Malzfabrik und Bierbrauerei, eine
Handels- und Kreditanstalt. Neueftens hat das Comitat auch ein neues, gut eingerichtetes
Krankenhaus erbaut. Überhaupt bildet die Stadt ein buntes Gemisch von Alt und Neu;
neben 300- bis 400jührigen Häusern ragen stolze Neubauten empor. Unter den alten Bau
werken steht die Festung voran, und in ihr die Kathedralkirche. Diese besteht aus zwei
Theilen. Der obere, größere bewahrt die Gebeine des Eremiten Zoerard, die einst in
silbernem Sarge lagen. Matthäus Csäk ließ diesen fortbringen und er gelangte erst nach