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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 5, 1. Abtheilung

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und zwar mit seiner westlichen Wand aus dem Spitzbogen, mit der östlichen auf einem im 
Inneren der Kapelle befindlichen Gurtbogen, so zwar, daß die eigentliche Stirnwand der 
Kapelle zwischen diese beiden Wände des Thurmes fällt, während die beiden anderen 
Wände des Thurmes die Fac^adenwand im rechten Winkel schneiden. Das untere Thurm 
geschoß ist von zwei Strebebogen flankirt, deren Unterteile durch Brüstungen mit durch 
brochenem Maßwerk mit dem Thurme verbunden sind. Die Strebebogen sind gleichsam 
Überbleibsel des Stirngiebels, den der Thurm durchschnitten hat. Der Meister hat seine 
kühne Idee mit constructiver Vollkommenheit verwirklicht, hatte aber gleichzeitig sein 
Augenmerk darauf, durch schöne Formen zu ergötzen. Für die Solidität der Construction 
sind das beste Zeugnis; jene sechshundert Jahre, deren Unbilden der Stirnwand und dem 
über ihr gleichsam in der Luft stehenden Thurme nicht das Geringste anhaben konnten, so 
daß sie noch jetzt ganz wohlerhalten sind. Das Fischblasenmuster des Maßwerkes im großen 
Rundfenster der Fa^ade ist späteren Ursprungs. Ein weiteres interessantes Detail dieses 
Bauwerkes ist das Portal, die Gliederungen seiner Laibung setzen sich, vom gemeinsamen 
Sockel ausgehend, ununterbrochen bis zur Spitze des Bogens fort, über dieser aber erhebt 
sich ein hoher und steiler Giebel, von zwei Fialen flankirt, die über Gebühr hoch, fast in 
der Höhe des Thorbogenscheitels ansetzen. Im Giebelfelde befindet sich ein Relief, eines 
der hervorragendsten Werke gothischer Plastik in Ungarn; es stellt die Psychostasie vor, 
nämlich den Erzengel Michael, in der einen Hand das Schwert, in der anderen die Wage,. 
aus der er die guten und bösen Seelen wägt. 
Einige Schritte von der Südseite der St. Michaelskapelle erhebt sich die einstige 
Pfarrkirche, seit 1804 Kathedrale. Ihre Geschichte ist ziemlich genau bekannt. Wahr 
scheinlich stand ebenda schon im XII. Jahrhundert irgend eine primitive, größtentheilv aus 
Holz erbaute einschiffige Kirche der ersten Ansiedler. Die bei dem letzten Neubau zum 
Vorschein gekommenen Grundmauern und sonstigen Überreste beweisen, daß an die Stelle 
der alten Kirche zu Ende des XIII. oder zu Anfang des XIV. Jahrhunderts eine zweite 
Kirche getreten ist, die ein einschiffiger gothischer Bau mit polygonem Abschluß war. Dieser 
brannte bald nach 1378 nieder, was durch angebrannte Grabsteine aus den Jahren von 
1370 bis 1378, die sich unter den mittleren Pfeilern fanden, zweifellos bezeugt wird. Die 
durch das Feuer beschädigten Mauern wurden dann so weit als möglich wieder in Stand 
gesetzt, die Kirche mit einem neuen Dach versehen und zum Gottesdienst benützt, während 
um sie her der Ban der neuesten, nun schon dritten Kirche begann. Dies geschah in den 
letzten Jahren des XIV. Jahrhunderts. Die Überlieferung schreibt die Gründung der Kirche 
der Königin Elisabeth, dritten Gemalin Karl Roberts (1300 bis 1380) zu. Weit sicherer 
als dies, ist es, daß Anfangs die Opferwilligkeit der städtischen Bürgerschaft die Bau 
kosten gedeckt hat. Später nahm König Sigismund den Ban unter seinen wirksamen Schutz,
	        
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