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gemahnen: dann erwachen in uns die Bilder der wechselnden Schicksale unseres Volkes an
den Ufern dieses Flusses; es ist mehr als ein Erinnern, es ist ein schmerzliches Empfinden,
daß diese wechselnden Fluten durch Jahrhunderte mit dem Blute unserer Vorfahren
gefärbt waren, die in schweren Kämpfen mit den tapferen Türken fest und treu Wache
standen an diesem Grenzflüsse der Civilisation.
Die Di ave behält längs ihres ganzen Laufes an der nördlichen Landesgrenze ein
gleichmäßige» Aussehen; rasch dahinfließend, häufig anschwellend und eine Menge Baum
stämme mitführend, dann wieder zu einem sehr niedrigen Wasserstande zurücksinkend, bietet
sie keine rechte Gelegenheit zur Schiffahrt, die sich daher, trotz mehrfacher kostspieliger
Versuche, nicht recht entwickeln will. Eine große Bedeutung hatte die Drave für die
Durchführung einzelner Kriegsoperationen zur Zeit der Türkenkriege, namentlich bei
Efsek, das schon von den Römern an diesem wichtigsten Übergangspunkt ins rechtsseitige
Donautiefland gegründet wurde. Die Uferlandschast ist anfangs nicht sehr mannigfaltig
und schön. Erst bei Efsek nimmt der Fluß einen der Save ähnlichen Charakter an und
bildet weite Sümpfe, aber auch fruchtbaren guten Ackergrund.
Zwischen diesen beiden Flüssen liegt zunächst Zagorje, das liebliche Hügelland,
der Stolz Eroatiens. Alles, was eine Landschaft an Anmuth bieten kann, ist hier vereinigt:
hochstämmige Wälder, schöne Flüsse, heilbringende Ouellen, saftige Wiesen, fruchtbare
Äcker, treffliche Weinberge, schmucke Dörfer und schöne Herrensitze.
Ohne großartig zu sein, sind die Gebirgszüge genügend hoch, um schöne Ausblicke
über das Hügelland zu gewähren; ohne besonders fruchtbar zu sein, ist der Boden der
nhäler gut genug, um die Arbeit zu lohnen; ohne reich zu sein, ist die Bevölkerung vor
arger Noth geschützt — es ist das Land der ausgeglichenen Gegensätze.
Von der ersten ausgesprochenen Kessellandschaft Eroatiens, von Zagorje, führt
ein niedriger Hügelzug an die Grenze des Pozeganer Comitates, um sich hier zu einem
ansehnlichen Gebirge zu erheben und dieses schöne Gebiet tote einen Kessel einzuschließen.
Das Pozeganer Thal soll einstens, wie die Bevölkerung mit Stolz erzählt, das
„goldene Thal" geheißen haben, und es verdient diesen Namen in der That auch
heute noch. Mitten zwischen die Draveebene und Saveniederung hineingelagert, lebte
das fröhliche Volk des Pozeganer Thales, durch seine einst schwer Passirbaren Berge
abgeschlossen, in fast vollständiger Abgeschiedenheit von der übrigen Welt. Hiedurch
entwickelte sich bei ihm ein hochconservativer Sinn und eine starke Gewöhnung an den
engen Horizont, ein genügsames und selbstzufriedenes Gemüthsleben, welches Pozega und
das ganze Thal zu einem innigen Zusammenleben führte, das geradezu sprichwörtlich war.
Jetzt ändert sich das rasch, da die Eisenbahn auch dieses stille Thal mit der Welt
verbunden hat.