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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 2

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Beileibe nicht die Bibel, die sich sammt dem Gesang- und Gebetbuche in der glänzenden 
Schublade („8ublüt") unter dem Spiegel oder, wo eine solche nicht vorhanden, in der 
Fensternische, auch ein vornehmer Platz, befindet. 
Die zweite Abtheilung ist die Küche mit Geschirr und Kesseln in großer Zahl. In 
der Küche steht auch der fünfzig Centimeter hohe, weiß gehaltene „Sesseltisch", den man 
im Sommer unter den Hansgang oder unter den Maulbeerbaum hinausträgt, mit einem 
Tischtuch deckt und dann Schemel rings herumstellt, um das Abendbrod einzunehmen. 
Dies ist der kleine Speisesaal des Ungars. Auf die Teller, selbst wenn es welche gibt, 
wird keine Speise herausgeschöpft. Jeder löffelt ans der großen Schüssel, und zwar in 
größter Ruhe, um nicht als Heißhungriger dazustehen; auch setzt man sich nicht nahe an 
den Tisch, sondern ziemlich weit weg, aber das Tischtuch wird trotzdem nicht fettfleckig, 
denn man hält unter den vollen Löffel, während er den Weg von der Schüssel zum Munde 
zurücklegt, einen Brodrauken als Untersatz. Im „Großhause" drinnen wird den Sommer 
über nur bei Anwesenheit eines ansehnlichen Gastes der Tisch gedeckt. Die Küchenthür ist 
bei Tag immer offen, nur ein Lattenpförtchen und die daran gehängte Peitsche halten das 
Geflügel ab, das immer gern hinein möchte; aber auch Nachts ist sie offen, denn ein oder 
das andere Mitglied der Familie, meistens der erwachsene Haussohn, schläft in der 
Küche, das Kopfkissen auf die Thürschwelle gelegt. Aus der Küche gelangt man endlich 
in die dritte Abtheilung, das vier bis fünf Meter lange „Kleinhaus" (kleine Zimmer), wo 
sich die Familie bei Tage aufhält. Diese drei Abtheilnngen sind auch bei armen Leuten 
unerläßlich, bei den wohlhabenderen öffnet sich dann noch das Kleinhaus in die Speise 
kammer, welche sich über dem Kellerhals befindet, weiterhin folgt die große Kammer 
(Fruchtspeicher), ja manchmal auch noch, unter das nämliche Dach mitbezogen, Stall, 
Schuppen und Scheune. 
Längs dem Hause, wenigstens vor den Wohnzimmern, zieht sich ein ein bis zwei 
Meter breiter Hausgang ans steinernen oder hübsch geschnitzten Holzpfeilern; darin sieht 
mau allerlei Vorrathsräume des Hauses, oft einen Getreideschuppen, in der Donau-Theiß- 
Gegend aber das sogenannte „Gelsengarn". So nennt man das im Hansgang stehende 
Bett, welches ein vom Plafond bis zum Boden herabreichcndes flvrartiges Gewebe von 
Hausgespinnst umgibt, um die Mücken abzuhalten, ohne die Luft ansznschließen. Dies ist 
die Schlafstelle der jüngsten oder ältesten Frau, so lange nicht die ärgste Kälte eintritt. 
Auch in den größeren Städten (Debreezin, Kecskemet) bauen die „eivos" (die Classe 
der bäuerlichen Landwirthe) ihre Häuser nach diesem Plane und richten sie dergestalt ein, 
nur mit dem Unterschied, daß der Hausgang breiter ist als gewöhnlich und sein an die 
Straße stoßendes Ende zu einem Stübchen mit besonderem Eingang abgetrennt ist, so daß 
die Gassensronte drei mit grünen Läden versehene Fenster aufweist. Bei derartigen Häusern
	        
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