462
Als die Festung anfing ihre Bedeutung zu verlieren, begann sofort der stufenweise,
stetige Aufschwung der Stadt. Arad ist heute, obgleich es mit seinen 40.000 Einwohnern
hinter Höd-Mezö-Vasarhely zurücksteht, in Bezug aus Bauthätigkeit, gesellschaftliches
Leben und echt städtischen Charakter der bedeutendste Platz in dem Lande zwischen Körös,
Theiß und Maros. Als schön kann aber eigentlich nur die innere Stadt gelten, welche von
Norden nach Süden der Länge nach durch einen breiten, für die magyarischen Städte
charakteristischen Straßenzug durchschnitten ist. In diesen fallen der Reihe nach die
Andrassystraße, der Hauptplatz und der Freiheitsplatz, in welche von der Seite her hübsche
Gassen münden. Auf dem Hauptplatze fallen das Rathhaus, das Gebäude der Finanz-
direction und der Palast der Arad-Csanäder Eisenbahn durch ihre stilgerechte Architektur
sofort in die Augen und bilden eine Platzvednte, wie sie nur wenige Provinzstädte Ungarns
aufzuweisen haben. In der Umgebung dieser Paläste werden auch die Zinshäuser mit
immer steigendem Luxus ausgestattet, und selbst wer aus der Großstadt kommt, fühlt sich
auf dem tadellosen Asphaltpflaster, unter dem Kreuz-und-Quer von Telegraphen- und
Telephondrähten, in Straßen mit guter Gasbeleuchtung, bei Tramwaygeklingel und
Fiakergeroll, im Gewühl des Publicums, das sich vor glänzenden Schaufenstern staut
oder geräuschvoll auf- und niederwogt, keineswegs kleinstädtisch angemuthet. Übrigens
findet er schon in den Gasthöfen, sowie in den Bädern allen Comfort und zum Theil auch
Luxus. Jndeß dürfte seine gute Meinung wesentlich beeinträchtigt werden durch den
Mangel, oder vielmehr die Mangelhaftigkeit von Wasserleitung und Kanalisirung, durch
die geringe Zahl der öffentlichen Gärten und den ungleichmäßigen, hier und da lücken
haften Ausbau der Straßen. Auch schadet es dem Eindruck, daß Arad, obgleich Sitz
eines griechisch-orientalischen, rumänischen Bisthums, keine würdige Domkirche besitzt; die
römisch-katholische Mehrheit der Bevölkerung muß sich Alles in Allem in zwei bescheidenen
Kirchen zusammendrängen. In wahren Palästen sind hingegen die staatlichen und städtischen
Lehranstalten untergebracht, und auch das Theater, das sich zwischen dem Haupt- und
dem Freiheitsplatze erhebt, ist ganz neuartig eingerichtet. Am 6. October 1890, dem
einundvierzigsten Jahrestage des Todes der ungarischen Generale, wird auf diesem
Freiheitsplatze das Märtyrerdenkmal enthüllt werden, das durch den trefflichen ein
heimischen Bildhauer Georg Zala, nach völliger Umarbeitung eines vom verstorbenen
Adolf Huszar herrührenden Entwurfes, modellirt ist. Unterhalb der Festung bezeichnet ein
einfaches Steindenkmal den Ort, wo die dreizehn Generale starben; am Ende der an dem
Hauptplatze befindlichen Promenade aber steht zur Erinnerung an den Straßenkampf am
8. Februar 1849 eine kleine von Sigmund Aradi geschaffene Gedenkstatue.
In den ausgedehnten Vorstädten, deren zuweilen nur mit Rohr, ja mit Stroh
gedeckte Häuser recht dorfmäßig aussehen, suchen wir vergebens nach interessanten Objecten.