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und wir vermissen in seinem classisch geschriebenen Geschichtswerk ein Bild dieser Stadt
aus eigener Anschauung. Es würde ihm von den beiden Thurmspitzen der Teynkirche
der goldene Kelch entgegengefunkelt haben, das Zeichen des Sieges, den der Utraquismus
über die alte Kirche errungen hatte, aber zugleich das brennende Wahrzeichen der schier
endlosen Wirren, die seit dem Scheiterbrande in Constanz die Gemüther der unglücklichen
Stadt von einer Leidenschaft zur andern jagten. An Glanz seiner Bauten nahm Prag fort
während zu. An Wladislaw II-, den Jagielloniden, den „König Schon-gut — Ural Dobra",
wie ihn die Prager nach seinem Gewohnheitswort nannten, erinnert das Wunderwerk
einer bizarren Gothik, der heutige „Pulverthurm", als Anfang jenes Prachtbaues, in
welchen das Altstädter königliche Schloß umgeschasfen werden sollte. Doch als eines Tages
„König Schon-gut" in einem Fenster des Palastes lag, richtete von der Gasse aus ein
Bürger seinen Pfeil ans ihn mit den Worten: „Laßt uns mit diesem hergelaufenen Polaken
ein Ende machen", und Wladislaw räumte den Königshof und übersiedelte nach dem alten
Fürstensitz ob dem Hradschin, dem er jetzt jene Baulust zuwandte, die ihm in der Prager
Altstadt verleidet worden war; der prachtvolle Wladislaw'sche Saal in der Burg und das
Wladislaw'sche Oratorium im St. Veitsdom sind beredte Zeugen seines Kunstsinns.
Noch weit mehr hoben sich das Schloß und dessen Umgebung unter Ferdinand I.
In jenem entstanden der deutsche und der spanische Saal — der deutsche Kaiser, der in
Spanien erzogen worden war! — zwei Räume, die in ihrer Größe und mehr noch in der
Schönheit ihrer Verhältnisse und ihrer Ausschmückung ihresgleichen suchen. Die Umgebung
der Hofburg gewann durch Anlage eines Schloßgartens und eines Turnierhauses jenseits
der Staubbrücke, durch den eleganten Renaissancebau des „Belvedere" und durch das
Sternschloß im großen Thiergarten auf dem Weißen Berge. Die Sage, als rühre der
Bau von König Podebrad her, der ihn zur Ehre seiner ersten Gemalin, einer geborenen
Sternberg, in Sternform habe aufführen lassen, hat Ritter von Schönherr in Innsbruck
durch den urkundlichen Nachweis widerlegt, daß König Ferdinands gleichnamiger kunst
sinniger Sohn, der Gemal der Philippine Welser, der damals Statthalter von Böhmen
war, den Plan dieses eigenartigen Gebäudes gefaßt und ausgeführt habe. Doch wurde
eben unter der Regierung des kraftvollen Ferdinand I. (1541) Prag auch von einem furcht
baren Unglück heimgesucht. Es war andauernde Trockenheit und Dürre, und als nun am
Nachmittag des 2. Juni im Hause des Freiherrn von Guttenstein auf der Kleinseite Feuer
ausbrach und sich ein heftiger Wind erhob, fraß das zerstörende Element immer weiter
und ergriff einen Theil der königlichen Burg, den es mit allen darin geborgenen Schätzen in
Asche legte, wobei unter anderem die Landtafel, ein unersetzlicher Verlust, in Flammen
aufging. Der St. Veitsdom, die Allerheiligenkirche, Kloster und Kirche von St. Georg
wurden empfindlich geschädigt, auch viele Menschenleben gingen zu Grunde.