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war dies nämlich jene Stelle, von welcher aus die Urheber und Hauptförderer hoch
verräterischen Beginnens am 21. Juni 1621 das Gerüst bestiegen, auf welchem sie,
viernndzwanzig an der Zahl, vor dem Freimann das Haupt aus den Block legen mußten,
und an jenes entsetzliche Schauspiel sollte wohl die Nachwelt durch den Anblick des
niedrigen Vorbaues nicht fortwährend erinnert werden. Sei dem nun wie ihm wolle, durch
den Abbruch des letzteren hat der Platz einen seiner architektonischen Reize verloren.
Gegenüber dem Rathhaus überragt die mächtige zweithürmige Stirnseite der Teyn-
kirche einen uralten Vorbau, der unter allen Umständen erhalten bleiben sollte, weil er
dem Platze und dem imposanten Gotteshause ein charakteristisches Gepräge aufdrückt.
Zwischen der Teynkirche und dem Rathhaus, nicht gerade in der Mitte des Platzes,
erhebt sich die schlanke Mariensäule, vor deren Heiligenbild mit angezündeter
Lampe sich abendlich Gruppen von Andächtigen zu versammeln und fromme Lieder
anzustimmen pflegen. Links vor dem Winkel, aus welchem das Nikolaigäßchen erst zur
Altstädter St. Nikolauskirche — jetzt dem russischen Gottesdienst und den wenigen
Bekennen: desselben gewidmet — und dann weiter in die finstere enggassige regellose
„Josephstadt" führt, befand sich ein prachtvoller Röhrkasten aus schönen, mit Figuren
im Renaissancestil gezierten schwarz-rothen Marmorplatten zusammengestellt. Er wurde
in den Fünfziger-Jahren aus den bei modernen Stadtvätern so beliebten „Verkehrs
rücksichten" abgebrochen und wurden überdies, damit es Niemand in Hinkunft gelüste, das
kunstvolle Werk wieder herzustellen, die einzelnen Marmortafeln in Stücke zerschlagen und
verschleppt. Ein oder zwei der zertrümmerten Überbleibsel, die sich nach der Hand doch
wieder aufgefunden haben, kann der Kunstfreund heute im Hofe des böhmischen Landes
museums sehen.
Der zugemessene Raum gestattet uns nicht, uns in das Gewirre der kleineren
Plätze, Gassen und Gäßchen der Altstadt zu verlieren; wir wiederholen nur, daß sie in
ihrem städtischen Gepräge zumeist den alten Typus bewahrt haben, und daß sie überhaupt
zum größten Theile noch heute so aussehen, wie sie vielen Generationen vor uns erschienen
sind. Es sind da viele Durchgänge, krumm, eng und finster, auch Säcke und stille Winkel,
und auf jeden zehnten Schritt fällt Dir eine theilweise bemalte Stirnwand, eine bekrönte
Bedachung, ein Heiligenbild oder eine profane Sculptur ober dem Eingang, ein altes
Hausschild oder hervorragendes Jnnungszeichen in das Auge, von dem Du, wenn Dir
Sinn und Verständniß für derlei traute Dinge eigen sind, wünschen möchtest, sie mögen
mindestens in getreuem Abbild erhalten und gesammelt werden, ehe sie einem früheren
oder späteren Neubau zum Opfer fallen; manche dieser Gegenstände, namentlich alte
Rahmenbilder, Sculpturen und Schnitzwerke, zierliche Gitter oder Embleme aus Schmiede
eisen könnten im städtischen Museum einen Ruheplatz finden.