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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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Rudolf hatte nicht Unrecht, wenn er mit Unmuth an die Zugeständnisse dachte, welche 
er hatte machen müssen, und den Wunsch hegte, sie wieder zurücknehmen zu können; nur 
war er unglücklicher Weise nicht der Mann, welcher imstande gewesen wäre, den Prote 
stanten das ohnehin schwer Errungene wieder zu entreißen. Daß er es doch versuchte, 
stürzte nur ihn selbst ins Verderben. 
Gelegenheit dazu bot ihm ein jüngerer Prinz seines Hauses, der Erzherzog Leopold 
von der steirischen Linie, damals Bischof von Passau. Derselbe sammelte in Passau ein 
Söldnerheer, das unter dem Scheine der Meuterei wegen nicht rechtzeitig erfolgter Sold 
zahlung zuerst in Oberösterreich, dann in Böhmen einbrach und sich unter der Leitung 
eines gewissen Ramee in rascher Folge der Städte Krumau, Budweis und Tabor 
bemächtigte. Über Beraun zogen die „Passauer" vor Prag, wo sie die Kleinseite durch 
einen nächtlichen Überfall in ihre Gewalt brachten. Schon glaubte der Kaiser, der die 
Passauer zur Niederwerfung der Stände zu benützen gedachte, sein Spiel gewonnen, zum 
ersten Mal nach langer Zeit sah man ihn damals lachen. Aber der Versuch, sich auch der am 
rechten Moldau-Ufer gelegenen Stadttheile Prags zu bemächtigen, scheiterte an derWach- 
samkeit und dem Widerstande der Bevölkerung und der von den Ständen aufgebotenen 
Truppen. Ein Häuflein Passauer, welches gleich im ersten Anlauf über die Karlsbrücke in 
die Altstadt eingedrnngen war, wurde von dem Hauptheere abgeschnitten, zersprengt und 
aufgerieben. Der Pöbel Prags, wüthend über das Geschehene und namentlich aufgereizt 
durch Gerüchte, daß die katholische Geistlichkeit mit den Passauern im Einverständniß sei, 
überfiel katholische Kirchen und Klöster, um dort zu morden und zu plündern. Besonders 
schlimm erging es damals den Mönchen von Maria Schnee in der Neustadt, von denen 
einige sich auf das Dach geflüchtet hatten, dort aber gleich Vögeln herabgeschossen wurden. 
Da die Passauer auch im Laufe der nächsten Zeit nichts ausrichten konnten, während 
die Stände, welche sich von der ersten Überraschung erholt hatten, immer neue gruppen nach 
Prag entboten, wurde die Lage des Kaisers und des von ihm herbeigerufenen Kriegsvolkes 
immer gefahrvoller, zumal als Erzherzog Matthias, durch den Einfall der Passauer in Ober 
österreich persönlich gekränkt, sich auch diesmal an die Spitze der Unzufriedenen stellte. Zuletzt 
blieb den Passauern nichts übrig, als abzuziehen, wenn sie nicht sämmtlich niedergehauen 
werden wollten. Bei Nacht und heimlich, wie sie gekommen waren, verschwanden sie wieder. 
Damit war auch der Verlust der böhmischen Krone für Rudolf II. besiegelt. Nach 
einigem Zögern verzichtete er zu Gunsten des Erzherzogs Matthias, welcher selbst in Prag 
eingetroffen war, auf die Regierung des Landes. Bald darauf starb der unglückliche 
Monarch, welcher in den letzten Tagen seines Lebens ohnehin nur ein Gefangener der 
Stände gewesen war (1612). Rudolf II. war der letzte habsburgische Herrscher, dessen 
Leiche in der alten Königsstadt Prag ihre Ruhestätte fand.
	        
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