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Folgendes: die jetzige Bevölkerung Böhmens (Cechen und Deutsche) erscheint in dieser
Hinsicht ganz oder doch im hohen Grade ähnlich. Dr. Weißbach hat schon vor Jahren
einige böhmische Schädel gemessen und die Schädeltypen verschiedener österreichischer
Nationalitäten verglichen. Nach ihm und nach anderen neueren Untersuchungen erscheint
der Typus eines böhmischen Schädels folgendermaßen: der Kopf ist groß, ebenso auch die
Gehirnhöhle. Nach einer anderen Arbeit desselben Autors haben die Böhmen unter allen
österreichischen Völkern das größte und schwerste Gehirn. Der Hintertheil des Schädels,
wo die Pfeil- und Lambdanaht zusammenkommen, weist bei den böhmischen Schädeln
manchmal eine bedeutende Depression auf. Das Hinterhauptbein ist stach und senkrecht,
hinter dem Gehörgange verhältnißmäßig kurz. Das Gesicht wurde früher als nicht sonderlich
hoch geschildert, was auch eine verhältnißmäßig geringe Höhe der Kieferknochen, der
Nasen- und Augenhöhlen zur Folge haben sollte. Man hielt noch vor kurzem schmale
Augenhöhlen und eine breite Nasenapertur für ein Charakteristikon des böhmischenSchädels.
Aber unsere neueren Untersuchungen an einer Reihe der ostböhmischen schädel von
Senftenberg haben das Gegentheil gezeigt, besonders bei den Weibern. Die Augenhöhlen
sind ziemlich hoch, die Nasenapertur mittelbreit, das Obergesicht schmal, so daß wir
wenigstens für einige Gegenden einen vom oben geschilderten abweichenden -vypus
zugestehen müssen. Der Gehirnschädel ist ziemlich hoch und zeichnet sich weiter durch
eine starke Schläfenbreite, die sich beim Anblick von vorne als ein starkes Hervortreten
der Contour äußert, aus. Beim Anblick von oben erscheint der Schädel im Verhültniß zur
Breite kurz, so daß er manchmal beinahe rund genannt werden kann.
Die Anthropologie drückt ähnliche Verhältnisse bei der Schädelbildung durch
Zahlen - sogenannte Jndices - aus, in diesem Falle durch den Längenbreitenindex, den
wir hier des Verständnisses halber erklären wollen. Dieser Index ist eine Zahl, die die
relative Breite des Schädels ausdrückt. Seine Zahl erhalten wir, wenn nur die Lange
des Schädels (das ist die Länge von der sogenannten Glabelle zwischen den Supraorbital
bogen bis zum hintersten Punkte in der Medianlinie) gleich 100 setzen und die entsprechende
Breite aussuchen. Wenn zum Beispiel die Länge des Schädels 180 Millimeter und die
Breite 150 Millimeter beträgt, so wird die relative Breite, wenn nur 180 auf 100
reduciren, 83 33 betragen. Diese Zahl ist der Längenbreitenindex, aus welchem man beim
ersten Blick ersieht, ob der Schädel lang oder kurz sei. Dadurch, daß wir alle gemessenen
Schädel, die sonst verschiedene Längen und Breiten Hütten, auf eine gemeinsame Dimension,
nämlich die Länge 100, zurückführen, können wir sie auch untereinander vergleichen. Und
da hat man gefunden, daß die Schädel in dieser Beziehung häufig bedeutend von einander
abweichen: daß es gewisse Völker gibt und früher gab, bei denen der Schädel im Ver-
hältniß zu jenem anderer Völker breiter oder schmäler ist, und daß diese Gestalt bei der