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Dieselbe Erscheinung wie in Böhmen beobachten wir übrigens beinahe in ganz
Europa. Die Entwickelung der böhmischen Typen ist demnach keine vereinzelt dastehende
Erscheinung, sondern nur ein Theil der Wandlung der europäischen Bevölkerung in
physischer Hinsicht. Überall bemerkt man, daß der Schädel bedeutend kürzer wird. Wie
soll man diese Erscheinung erklären? Die Einen versuchten es, sie durch die Cultur, den
Wohlstand, namentlich aber durch das Wachsen der Intelligenz, die eine Verbreiterung
der lateralen Partien des Gehirnes verursacht und dadurch auch die Gehirnkapsel selbst
mehr in die Breite zieht, zu erklären (Durand, Schaafshausen, Matiegka), die Anderen durch
Einwirkung der Milieus, in denen verschiedene brachykephale Stämme lange Zeit
hindurch lebten (I. Ranke, Schaafshausen), Andere aus rein physiologischen Gründen
(durch die Wirkung der Muskeln), Andere wiederum aus pathologischen (durch ein vorzeitiges
Zusammenwachsen einiger Nähte) u. s. w. Zum Theil wird gewiß diese Erscheinung
auch durch Kreuzung des dolichokephalen Typus mit einem neuen knrzköpsigen erklärt.
Dieser ist höchst wahrscheinlich im Laufe der Steinzeit nach Europa gekommen und
kreuzte sich nicht nur mit der dolichokephalen Bevölkerung, die früher hier ansässig
war, sondern auch mit der später hierher gekommenen und vielleicht mit der ersten
verwandten, wobei der lange Typus von dem kurzen langsam, aber allgemein absorbirt
wurde. Für das erste Product der Kreuzung hält man oft die mesokephalen Bildungen,
die immer kürzer und kürzer werden. Man muß aber zugeben, daß, was die Mesokephali
anlangt, nicht gerade die Krenzungstheorie, sondern die Theorie der allmäligen Ent
wicklung infolge einer uns bis jetzt sichergestellten Ursache auch sehr viel für sich hat.
Wie es sich in Böhmen verhalten hat, wer jene ursprüngliche Bevölkerung der
Steinzeit war, wer jene späteren Dolichokephali, welche auf einmal um Christi Geburt
hier zahlreicher aufzutreten scheinen und mit der Einwanderung des neuen Stammes
augenscheinlich in Verbindung stehen, wer jene Brachykephali waren, die schon in jener Zeit
hier anftanchen und jetzt durch die ganze cechische und deutsche Bevölkerung repräsentirt
werden, darüber ist viel geschrieben und wissenschaftlich und unwissenschaftlich viel
dispntirt worden. Schließlich hat folgende Erklärung, die schon auf den ersten Blick —
das kann man nicht bestreiten — sehr natürlich erscheint, die Oberhand gewonnen. Man
hat nämlich, hauptsächlich in Süddeutschland durch die Forschungen Lindenschmits und
Eckers constatirt, daß der ursprüngliche germanische Typus, der Typus jener Alamannen
und Franken, welche zur Zeit der Völkerwanderung in Deutschland erschienen und welchen
Lindenschmit die süddeutschen Gräber mit der sogenannten Merovinger-Cultur richtig
zugesprochen hat, dolichokephal war, lichtes Haar, blaue Augen hatte und überhaupt zur
lichtenComplexion gehörte. Da nun dieSlaven in ganz Europa als ein stark brachykephaler
Typus erscheinen, und da es historisch bewiesen oder wenigstens höchst wahrscheinlich ist,