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etwa im XV. Jahrhundert die Weissagungen der Sibylle auf, die jedenfalls auf
lateinischen Aufzeichnungen beruhen; letztere wurden wieder nach einem griechischen
Original, das aus dem I. bis IV. Jahrhundert n. Chr. herrührte, niedergeschrieben.
Nicht weniger populär wurden die Weissagungen des blinden Jünglings (siexF
mlüäonee), in denen auch die Blaniksage enthalten ist. Der blinde Jüngling verkündete
Karl dem IV. die Geschicke seiner Nachfolger und die Geschicke des böhmischen König
reiches. Derselbe Jüngling soll auch, obzwar er blind war, die ganze wunderbare Aus
stattung aus menschlichen Knochen und Schädeln in der Kapelle zu Sedlec bei Kuttenberg
zusammengestellt haben, oder nach einer Variante verfertigte er die berühmte Uhr auf dem
Prager Rathhause in der Altstadt, hat sie aber auch dann durch einen einzigen Griff, als
man ihm die Autorschaft abstritt, verdorben. Aus einer etwas späteren Zeit, etwa aus dem
XVI. Jahrhundert, rühren die Weissagungen des Havlata Pavlata, eines einfachen
Bauers und Gebirgsbewohners aus Vysoke.
Alle diese Weissagungen, die die Geschicke des Königreiches Böhmen betreffen,
wurden allerdings den Zeitverhältnissen angepaßt. Es wird in ihnen von Greueln und
Schrecknissen erzählt, von unerhörten Robotarbeiten, davon, daß die weltlichen und geist
lichen Obrigkeiten die böhmische Sprache Haffen werden, von schrecklichen Kriegen, ja sogar
vom Fall der Stadt Prag, aber in allen ist schließlich die trostvolle Prophezeihung ent
halten, daß alle die Leiden aufhören werden, daß der heilige Wenzel zu Pferde mit dem
Schwerte und der heilige Prokop mit dem Krummstabe die Feinde besiegen und aus dem
Lande vertreiben werde.
Neben diesen allgemein bekannten Weissagungen gibt es auch viele örtliche, so zum
Beispiel in der Umgebung von Nachod, das zur Zeit der schlesischen Kriege im vorigen Jahr
hundert hart mitgenommen wurde. Dort zeigt man noch heutzutage eine alte Föhre hart
an der Grenze und erzählt, dort werde der preußische König auf der Flucht aus Böhmen
ausruhen, nachdem er aufs Haupt geschlagen sein wird, und es werden ihm von seiner
Armada nur so viele Soldaten übrig bleiben, als um eine Trommel Herumsitzen können.
Die erwähnten Weissagungen, in denen das böhmische Volk in Zeiten der Noth
Trost fand, wurden unter dem Volke vom XVI. Jahrhundert an durch zahlreiche Nach
drucke verbreitet und trugen bis zu einem gewissen Grade in schweren Zeiten des
XVII. und XVIII. Jahrhunderts mit dazu bei, das nationale Bewußtsein und die Hoffnung
auf eine bessere Zukunft zu erhalten.
Volkstrachten. Die ursprüngliche böhmische Tracht war jener der anderen slavi-
schen Völker, namentlich der der Polen ähnlich. Das beweisen nicht blos die gemeinsamen
Benennungen der einzelnen Bestandtheile, die die Tracht bilden, sondern auch directe
Nachrichten, wie die des Adam von Bremen und Helmold. Leinwand, Tuch, Leder und