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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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wo man den in einer Kutsche fahrenden Bauer nur schwer von einem nach der Mode 
gekleideten Städter unterscheiden kann. Aber es gibt auch noch jetzt Gegenden, wo die 
einheimische Tracht nicht etwas schon Alterthümliches ist und nicht blos ein Kleid, das 
nur bei Nationalfesten getragen wird. Am besten behauptet sich die alte Tracht im Westen, 
namentlich in den Dörfern der einstigen böhmischen Grenzbewohner — der Choden — 
in der Umgebung der Stadt Taus, dann in der Umgebung von Pilsen, im Süden in der 
Umgebung von Veselt (,im blntoelV-), bei Tabor, Neuhaus und bei Teindles (Daudleby). 
Im östlichen Böhmen haben noch die Weiber, wenn auch nicht mehr vollkommen die alte 
Tracht erhalten. 
Die Bestandtheile der ursprünglich slavischen Tracht blieben zwar beim Volke im 
großen Ganzen, änderten sich aber doch im Verlaufe der Zeit. Manches verschwand, 
Anderes wieder, wie das Mieder bei den Frauen und die Weste oder „bruolek? bei den 
Männern, wurde von anderwärts hinzugenommen. Der Kittel (Obergewand, snüne), den 
ursprünglich Männer wie Weiber trugen und der auch in der Fremde, wie in Frankreich, 
Eingang fand, hörte vom XVII. Jahrhundert an auf, ein männliches Kleidungsstück zu 
sein. An seine Stelle trat der Rock, dann auch das Kamisol, die Jacke. Die altslavischen 
„Iraoe^ (serbisch, slovakisch Zntö) wurden schon im XIII. Jahrundert »irolmvico« (Bein 
kleid, Pantalon) genannt. Neben dieser Benennung kam im Anfang des XVI. Jahrhunderts 
noch das fremde Wort »Fnliot^, ,üa1Iiot^ auf. Neben der ursprünglichen »Süorirö« 
und ,stl'6vim;° verbreitete sich das Wort dotn (Stiefel — In bottk), ja verdrängte sogar 
das erstere und statt des ursprünglichen „eselrel" kam frühzeitig „IcoZila^ (Hemd aus dem 
lateinischen ensrrln) aus. 
Die Trachten in den oben erwähnten Gegenden sind verschieden und doch, was 
die Bestandtheile anlangt, im Wesentlichen gleich. Auch darin sind sie einander ähnlich, 
daß sie alle mit vielen und reichen Stickereien geziert sind. In eigenartigen Stickereien 
bewährte das Volk seine künstlerische Begabung. Diese Nationalstickerei konnte sich, da sie 
weniger als jede andere Arbeit der Hausindustrie an die dem Handwerk eigene Fertigkeit 
gebunden war, ganz frei entwickeln. In den Stickereien des böhmischen Volkes sieht man 
eine große Ähnlichkeit mit jenen der beiden anderen Zweige des cechoslavischen Stammes: 
der Mährer nämlich und der Slovaken, und zwar um so mehr, je mehr wir uns der 
mährischen Grenze nähern. Diese Stickerei hat sich auf einer einheimischen alten Grundlage 
entwickelt und gerade jene Stickereien, die ans dem echten Volksgefühl hervorgegangen sind, 
haben unzweifelhaft künstlerischen Werth. Doch auch fremde Einflüsse, besonders aus der 
Kirche, aus der Stadt und aus dem herrschaftlichen Schlosse drangen in die Bauerngüter 
und Hütten, und es war besonders der Barockstil, dessen Einwirkungen die ursprüngliche 
Volksornamentik nicht entging. Doch der slavische Geist war in der Cultnr der bäuerlichen
	        
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