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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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die ganze Gegend erscheint flimmernd wie in einem Zaubermärchen. Die Jugend mit 
Blumen bekränzt und mit Beifuß umgürtet tanzt um das Feuer herum, Liebespaare 
springen Hand in Hand über die Flammen, und wenn der Sprung gelingt, ist es für sie 
von guter Vorbedeutung. In der Johannisnacht blüht das Farrnkraut mit goldener 
Blüte, und wem es gelingt, derselben habhaft zu werden, der hat den Schlüssel zu allen 
Schätzen. Die Mädchen pflücken in der Nacht neunerlei Blumen, winden einen Kranz 
davon und werfen ihn rückwärts auf einen Baum; nach wievieltem Wurfe der Kranz auf 
dem Baume hängen bleibt, nach soviel Jahren wird das Mädchen heiraten. Auch legen sie 
sich den Kranz vor dem Schlafengehen unter das Kopfkissen, damit ihnen ihr Zukünftiger 
im Traume erscheine. Am folgenden Morgen vor Sonnenaufgang werfen sie die Kränze 
aufs Wasser und beobachten, ob der Kranz frei hinunterschwimmt oder irgendwo hängen 
bleibt; in jenem Falle werden sie bald heiraten. 
Eine Mutter, welcher ein Kind gestorben ist, darf vor Johannis weder Kirschen noch 
Erdbeeren essen, denn an diesem Tage vertheilt die heilige Jungfrau Kirschen und Erdbeeren 
an die verstorbenen Kinder im Himmel, und wenn sie zu einem Kinde käme, dessen Mutter 
diese Früchte bereits gegessen hatte, würde sie sagen: „Für dich ist nichts da, deine Mutter 
hat dirs weggegessen", und das Kind würde leer ausgehen. 
Auf einen Sonn- oder Feiertag im Sommer fällt das Kirchenfest (ponk), ein 
Stelldichein der jungen Leute und Liebespaare. Vor der Kirche und auf dem Dorfplatze 
sind Zelte, Buden und Verkaufsläden mit allerlei Schnitt-, Spiel- und Schmuckwaaren 
ausgestellt, namentlich dürfen jene der Lebzelter nicht fehlen. Hier ist der Ort, wo sich nach 
dem Gottesdienst die jungen Leute versammeln und sich wechselseitig Geschenke (pouti), 
als: Goldringe, Bilder, Pfefferkuchen, Marzipan und Anderes kaufen und Bekanntschaften 
machen, die nicht selten zur Heirat führen. Darum erscheinen hier die heiratslustigen 
Mädchen in ihrem schönsten und reichsten Schmuck und namentlich mit einer Ducatenschnur 
am Halse, denn nach der Anzahl der Ducaten errathen die heiratslustigen Burschen, wie 
groß die Mitgift des Mädchens sein wird. 
Das Wort poub bedeutet eigentlich die Wallfahrt. Es pflegt nämlich das Volk 
nach verschiedenen Wallfahrtsorten, zu wunderthätigen Marienbildern oder Heilquellen 
Processionen zu unternehmen, welche je nach der Entfernung des Ortes oft mehrere Tage in 
Anspruch nehmen. Solche Wallfahrtsorte sind: der heilige Berg bei Pribram, Altbunzlau, 
Maria-Zell, Albendorf (Vamberice im Glatzischen), Prag (zum heiligen Johann von 
Nepomuk) und andere. Weißgekleidete Krauzeljungfern tragen ein schön geschmücktes 
Marienbild (oder statt dessen wird eine Kirchenfahne vorangetragen), und hinter ihnen folgt 
die Menge, andächtige Lieder singend, welche ihnen der die Procession leitende Vorbeter 
vorsagt. Wenn sie an Ort und Stelle anlangen, kommt ihnen der Geistliche mit seinen
	        
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