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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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auch auf dem Lande allenthalben in Übung war, jedoch als Musikstück von einer besonderen 
rhythmischen Physiognomie ist. Zunächst erscheint sie als rnnäsra, auch nirnrn (ein 
Eigenname, ursprünglich: Tändler) und wird nach einer Volksweise getanzt; bald aber, 
etwa 1835, componirte der Lehrer Fr. Matthias Hilmar in Kopidlno die „Esmeralda- 
Polka", die Ahnfrau einer kosmopolitischen Nachkommenschaft, deren Zahl, manche Abarten 
und Nebenformen mit eingerechnet, geradezu Legion ist. 
Anderseits haben einzelne fremdländische Tänze auch schon in früheren Jahr 
hunderten nicht nur willige Aufnahme im böhmischen Volke gefunden, sondern auch 
unvertilgbare Spuren in dessen eigener Musik znrückgelassen. Das markanteste Beispiel 
ist wohl das Menuet, das bereits am Schlüsse des XVII. Jahrhunderts aus Frankreich 
nach Böhmen gebracht worden sein mag, um hier mit der Zeit zu einem der populärsten 
Tänze, mirist genannt, zu werden, und zwar nicht blos in den Salons der Städter, 
sondern auch auf den Tanzböden abgelegener Dörfer. Wie gerne man die Menuetweisen 
zu Liedern benützte oder doch Melodien nach dem Menuetmodell gestaltete, lehrt ein Blick 
in die Sammlung Erbens. — 
Von den böhmischen Volksweisen lassen sich so manche mit Bestimmtheit auf frühere 
Jahrhunderte zurückführen, wie die zum „secklnlr 2 Urnd/jecks" bis 1609; die Melodie 
des Liedes „?roe Icaiino« ist in verschiedenen Varianten schon im XV. und XVI. Jahr 
hundert gesungen worden, eine andere Weise jener Zeiten, die zu »Usünn Xnen trnvn 
Lnin", lebt in einigen mehr oder weniger nahe verwandten Abkömmlingen noch heute fort, 
nicht wenige der jetzt gesungenen weltlichen Melodien mögen mit alten Kirchengesängen 
in Zusammenhang stehen u. s. w. Überwiegend aber rühren sie aus dem XVIII. Jahr 
hundert her, dem gegenwärtigen aber gehören nur wenige, wie zum Beispiel das rührende 
„Berg, 0 Berg, wie hoch bist du, 
Liebchen mein, wie fern bist du" 
an; von diesem will man sogar den Finder kennen, einen gewissen Bechyne, der als 
Soldat in Kuttenberg in den Dreißiger-Jahren seine Geliebte ermordet hatte und den 
dann im Gefängniß zu Königgrätz Schwermuth und Sehnsucht zum Sänger machten. In 
noch höherem Grade als von der Melodie gilt das Gesagte von den Texten, von denen 
namentlich solche von Mordthaten oder sonst ungewöhnlichen Ereignissen einen älteren 
Ursprung haben dürften. Sonst spiegeln sich in dem böhmischen Volkslied, wie wir es 
heute vor uns haben, vorwaltend die Zustände des Volkes ab, unter denen es im vorigen 
Jahrhundert und noch bis gegen die Mitte des jetzigen lebte. 
Auf der einen Seite der unerbittliche Soldatendienst, der den unvorsichtigen oder 
verzweifelnden Burschen, sobald er „den weißen Rock" mit den farbigen Aufschlägen 
anzieht, Säbel und Karabiner umschnallt, wohl für immer aus dem Kreise der Seinen,
	        
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