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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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8 bis 14 Tage von Verwandten und Nachbarn abwechselnd die Wochenbettsuppe. In 
Alt-Reichenberg war es Brauch, daß die Mutter nach dem ersten „Kirchengang" ihren 
Säugling zu den Pathen „Tatschen" trug (nach dem Tragtnch „Tatschen" so genannt) 
und damit den ersten Besuch mit dem jungen Leben machte. 
Auch beim Sterben hält man treu an dem alten Brauch. Ist ein theures Menschen 
leben im Verlöschen, so wird die geweihte Sterbekerze entzündet und still gebetet. Nach 
dem Eintritt dev Tode» össnet man das Fenster, damit die Seele in den Himmel stiegen 
könne. Die Wanduhr wird zum Stehen gebracht, der Spiegel verhängt. Die Freude ist im 
Hause gestorben, die Zeit hat für die Überlebenden einstweilen stille zu stehen, bis der Todte 
bestattet ist. Die alte Sitte der Todtenbretter, die in den österreichischen Alpen vorkommt, 
wird auch in Deutschböhmen (Böhmerwald) bis in die neuere Zeit geübt. So lange die 
Leiche im Hause ist, wird in der Regel die Todtenwache gehalten. Der Verstorbene muß 
ein Gebetbuch (bei Protestanten in Nordbvhmen die Bibel) und eine Scheere mit in den 
Sarg bekommen (die letzten Spuren der alterthümlichen Todtengaben). Wird der Sarg 
aus der Stube getragen, so müssen die Träger, die im Egergebiete Rosmarinzweige erhalten, 
dreimal absetzen, bevor sie über die Schwelle treten. Hinter ihnen werden die Stühle 
gestürzt und auf den Bauernhöfen die Hansthiere im Stall voni Lager ausgetrieben, auch 
die Bienenstöcke gerüttelt, damit Alles theilnehme und merke, wenn der Hausvater zum 
letzten Mal Haus und Hof verläßt. Nach der Beerdigung folgt im Trauerhause oder ini 
Gasthofe des Kirchendorfes der „Leichentrnnk" (auch „Leichenbrot" in den Elbegegenden). 
Es wird das „Leid vertrunken", wobei es jedoch meist still und ernst hergeht und dem 
Todten die „gute Nachrede" gehalten wird. 
Nächst den Familienfesten sind die Hauptfeste des Natur- und des sich diesem meist 
anschmiegenden Kirchenjahres besonders hervorhebenswerth, wobei althergebracht drei 
Hauptgrnppen in Betracht kommen: das Weihnachts-, das Frühlings- (Oster-, 
Pfingst-, Mai- und Johanni-) Fest- und der Kirmeß -Festkreis. Auf dem altgermauischen 
Julfeste fußend, das zur Feier der Wintersonnenwende begangen wurde, hat sich 
das bedeutsame sinnige Weihnachtsfest unter dem sittigenden Einfluß des Christenthums, 
das die uralten Volksbräuche verständnißvoll in christliche Formen umzugestalten 
wußte, auch in Deutschböhmen als ein Hanptsest des ganzen Natur- und Kirchen 
jahrs bis heute erhalten. Es bildet besonders im Bauern- und Kleinbürgerthnm bis in 
die neue Zeit zugleich auch den Beginn des neuen Wirtschaftsjahrs. Zu Weihnachten 
Pflegte der Bauer seit langem in den meisten Gebieten die Vorbereitungen für das neue 
Arbeits- und Fruchtjahr zu treffen, Viehstand und Geräthe zu mustern, auszuwechseln u. s. w. 
Zu Weihnachten war auch in der Regel die „Ziehzeit" des Gesindes. Am zweiten Weih 
nachtstag hatten die Dienstleute das neue Arbeits- und Lohnjahr anzutreten, wurden mit
	        
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