563
Berggeistern im Erzgebirge. Sie erschienen meist als graue Männchen (Zwerge) und
brachten den Wald- und Bergleuten öfter Glück und Segen, mitunter freilich auch allerlei
Strafen, so der dankbare Zwerg von Brüx, die Zwerge im Kupferhübel, die Zwerge
des Marienberges bei Aussig, die Pelzleutchen von Wteln, die Reibmännchen von Saaz
und andere mehr. Auch allerlei Moor-, Wasser- und selbst Zaubersagen hat das Erzgebirge
aufzuweisen, wie die Sage vom thörichten See bei Satzung-Sebastiansberg, vom Alann-
Hüttensee (Komotau), die Sage von der Todtenheide bei Hammer im Erzgebirge, wo ein
schwedischer Heerestheil im Moor versank, vom Reischdorfer Fuhrmann, der gegen
Nürnberg fuhr und von einem guten Geiste ein Zauberfläschchen erhielt; die ver
schiedenen Irrwisch- und die Venedigersagen (sogenannte Venediger Gold- und Edelstein
sucher durchzogen im Mittelalter häufig auch das Erzgebirge); endlich zahlreiche Berg-
und Schatz-, Bau-, Burg- und Ritter-, Kirchen-, Thier- und Teufelssagen. Zum Nord-
nnd Ostgebiete des Landes fortschreitend zeigt die Volkssage eine von Nord nach Ost
gegen das Riesengebirge zu stetig mehr sich steigernde Neigung zur Charakteristik eines
Alles beherrschenden Wald- und Gebirgsgeistes. In Nordböhmen (Rumbnrg, Warnsdorf)
ist das„Buschweibl" und der „Bandietrich" (Wildjäger),das „Buschjähala",inSchluckenan
der historische „wilde Mann" die Hauptfigur der volksthümlichen Natursage.
Alle diese Sagengestalten sind ebenso wie der „Jerlapfeif", der Wildjäger und
Spottgeist, der den Jeschken-Jsergau und das Adlergebirge beherrscht, der „Lindwurm"
der Ortssage von Trautenau und auch die wilde Jägerin von Braunau (wo auch die
Aschenbraut, Berchta, haust) im Wesen auf denselben Grundgedanken zurückzuführen: auf
das Machtvolle, Wildungestüme, den Menschen Bedrohende und Schreckende der im
Sturm bewegten Natur des Wald- und Gebirgslandes Nord- und Ostböhmens. Die
einst besonders rauhe und wildungestüme Natur dieser Gebiete war die Nährmutter
zahlreicher Natursagen, und so kommt es, daß das verhältnißmäßig liederarme Ostböhmen
umso reicher an Volkssagen ist und in seiner Haupterhebung, im Riesengebirge, eine
Sagenfigur herausgebildet hat, die an poetischer Erhöhung, sinniger Vertiefung und
reizvoller Mannigfaltigkeit zur bedeutendsten, populärsten und berühmtesten des ganzen
Landes geworden ist. Rübezahl, der große Berggeist des Riesengebirges, der bei Eis
und Schnee im Hochgebirge der Schneekoppe haust und am Brunnberg nächst den Elbe-
Quellen sein „Lustgärtlein" hat, von wo er im Wettersturm in den Riesengrnnd hinab
fährt (Schneelawine), ist der machtvolle Wildherr der ganzen rauhen, großen Gebirgsnatur,
ist die oberste Ausgestaltung der Hehmann-, Wildjäger-, Wildmann- und anderer Sagen
der tieferliegenden Wald- und Gebirgsgebiete Deutschböhmens. In der Rübezahlgestalt,
dem mächtigen, zaubergewaltigen, majestätischen Bcrggreis und seinem so reich ausgebildeten
Sagenkreis erhält die Volkssage Deutschböhmens förmlich ihren obersten Abschluß und ihre
36«