581
die goldene Hand und wirft Fluten von Obst und guten Sachen herein, nach denen die
Kinder mit Jubelrnf stürzen und nach Möglichkeit viel zu erhaschen suchen! Dies ist Christ'
kindleins Anmelden; um Mitternacht folgt dann die Christbescherung.
Kommt das Frühjahr, sproßt es auf Feldern und Wiesen, treiben die Bäume
Blätter und Blüten, da bricht auch das Volksleben in neuen Bildungen aus. Die
„Maibäume" werden anfgerichtet — junge Fichtenstamme, die entästet und abgeschält
werden bis zum Wipfel, dessen Äste und Zweige mit bunten Bändern, Festgewinden und
Kunstblumen geschmückt werden; sie pflegen mit erstaunlichem Geschick durch die höchsten
Dächer »ach den Bodenräumen eingesenkt und mit Stricken befestigt zu werden; so künden
sie wochenlang aller Welt an, daß einer heiratsfähigen Tochter des Hauses von einem
Burschen öffentlich gehuldigt werde. — In die Zeit der Maibäume füllt die Sitte der
„Hornfeile". Die Heerden sollen zum ersten Male auf Brachen oder Gemeindeweide»
getrieben werden, wobei es zu großen Kümpfen der gehörnten Hausthiere kommt. Um die
Gefahr vieler und bedenklicher Verwundungen zu beseitigen, geht der Hirte vorher von
Haus zu Haus und feilt die über Herbst und Winter zu scharf ausgewachsenen Hörner
spitzen ab, natürlich unter üblichen, dem gläubigen Vertrauen entsprechenden frommen
Sprüchen. So spricht der Hirt in einen Stall tretend und das Haupt entblößend:
„Pfeit's Gott! ös Kalwla, Öxla, Rößla ollö,
Ös Haißla, Schaffla, wei's dv san,
Wenn Abba scho'ri wollt, strof den Lollö,
Mia wißn o, daß Leit' gean nvdö san!"
(B'hüt' Gott! ihr Kälber, öchslein, Rößlein alle,
Ihr Füllen, Schäslein, wie's da sind —
Wenn Jemand schaden wollt', so straf' den Lümmel,
Wir wissen ja, daß d' Leut' gern neidig sind.)
Am 1. Mai folgt dann der erste Austrieb der Thiere unter feierlicher, lärmender
Bewegung des Dorfes. Das Läuten der Halsglocken und Klingen der Rollen (blecherner
Kugeln mit runden Steinen im Innern) erfüllt die Luft, vermengt mit lustigem Brüllen,
Blöken und Meckern der Thiere, zwischen denen Hausväter, Mütter, Knechte und Mägde
Aufsicht führend eine Strecke weit mitgehen. Sie sind mit „geweihten Ruthen" bewaffnet,
die aus Birkengerteu bestehen, verbunden mit am Palmsonntag geweihten Palmzweigen;
diesen Ruthen wird eine wunderbare Kraft zugeschrieben, ein Hieb damit schützt ein Thier
das ganze Jahr vor Verwundung. Am 1. Mai schon gerathen die Gemeindestiere
(Bummeln), gewöhnlich zwei gewaltige Recken ihrer Art, an einander; das gibt ein Schau
spiel, das nicht früher verlassen wird, als bis einer der Stiere Sieger ist. Diesem wird dann
laut gehuldigt und Niemand ist stolzer auf diesen Sieg als der Hofbesitzer, der verpflichtet
ist, den Gemeindestier während des laufenden Jahres auf eigene Kosten zu erhalten.