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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 2. Abtheilung

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Beziehung zu heben, sondern sie sorgten in gleicher Weise, wenn nicht noch energischer 
auch für den Inhalt, indem sie in den lateinischen und griechischen Denkmälern einen 
unerschöpflichen Vorrath von Bildnngsmitteln ersahen. Diese Ansicht hat sich in der 
Folge allgemein verbreitet; nur ist zu bedauern, daß man durch die Einwirkung der 
Zeitverhältnisse immerfort moralisirende und religiöse Stoffe bevorzugte. Die daraus 
hervorkommende Eintönigkeit und Einseitigkeit konnte durch keinerlei stilistische Vorzüge 
wettgemacht werden. 
^n der zweiten Hälfte des XVI. Fahrhunderts erscheinen als die ausgiebigsten 
Pflanzstätten des Humanismus die zahlreichen Schulen, welche nach auswärtigen Mustern 
überall im Lande errichtet wurden. Aber der daselbst gepflegte Humanismus unterschied 
sich gar sehr vom Humanismus der vergangenen Jahre; statt des ehemaligen nationalen 
Charakters hatte er ein kosmopolitisches Gepräge angenommen und war meistentheils zu 
einem unfruchtbaren Latinismus verflacht. Die lateinische Versmacherei gelangte zur 
üppigen Entwicklung und feierte besonders in der Rudolfinischen Periode, wo die Anzahl 
der Teilnehmer bis zu Hunderten stieg, ihr goldenes Zeitalter. Nicht wenige mitunter 
vorzügliche Talente wurden dadurch der Nationalliteratur entzogen; wir erinnern 
beispielsweise an den reichbegabten M. Matthäus Collinns von Choterina (1516 
bis 1566), Professor der Prager Hochschule, der zur Zeit Ferdinands 1. als Dichter glänzte 
und unter dem Schutze des gelehrten, edelgesinnten Ritters Johann Hodejovsky von 
Hodejov (gestorben 1566), Vicelandrichters von Böhmen, eine blühende Poetenschule 
begründete, an Thomas Mitis von Limusa (gestorben 1591), David Crinitus von 
Hlavacov (gestorben 1586), Kaspar Cropacius (gestorben 1580), Georg Caro- 
lides von Carlsperg (gestorben 1612), Laurentius Benedicti von Nudozer 
(gestorben 1615), Johann Campanus Wodnanus (gestorben 1622) und viele Andere. 
Neben dem Humanismus griff in die Entwicklung der Zeitliteratnr am mächtigsten 
die religiöse Strömung ein. Die auf Besserung der kirchlichen Institutionen und des 
Lebens überhaupt hinzielenden Bestrebungen waren mit den Husitenkriegen keineswegs 
erloschen, sondern lebten auch zur Zeit Georgs von Podebrad und der Jagellonen 
weiter fort. Angeregt von feurigen Predigern, wie Rokycana in seinen jüngeren Jahren 
einer war, und tiefsinnigen Forschern, wie Peter Chelcieky, bildeten sich kleine religiöse 
Genossenschaften, die ein tugendhaftes Leben zu ihrer Hauptaufgabe machte», die gewohnten 
kirchlichen Institutionen als angeblich verderbt verwarfen und jede weltliche Gewalt- 
Maßregel als mit der evangelischen Nächstenliebe unvereinbar verurtheilten. Nach längerem 
unentschiedenem Schwanken zwischen Theorie und Wirklichkeit organisirte sich aus jenen 
Elementen die bekannte Unitüt der böhmisch-mährischen Brüder. Dieselbe erhielt zwar 
den nationalen Geist in größter Reinheit unter ihren Mitgliedern und vermehrte auch die
	        
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