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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 2. Abtheilung

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seinen einstigen materiellen Wohlstand wieder zu gewinnen, aber es wird allezeit eine durch 
seine große Vergangenheit, durch herrliche Thaten geheiligte Stätte deutscher Kunst im 
böhmischen Lande bleiben. 
Das cechoslavische Theater in Prag. Die Geschichte des Prager Theaters 
hatte sich, wie wir gesehen haben, bis zum Jahre 1862 vorwiegend mit deutscher Kunst und 
Literatur zu befassen, denn das Haupttheater der böhmischen Landeshauptstadt war bis 
zu jenem Jahre das alte ständische und gegenwärtige deutsche Landestheater, das Mutter 
institut des von ihm abgezweigten böhmischen (cechischen) National- und Landestheaters. 
Schon im XVIII. Jahrhundert jedoch fehlte es nicht an schwachen Versuchen, die dramatische 
Kunst auch in der slavischen Landessprache zu pflegen, ihr ein eigenes Heim zu bereiten. 
Aber der Charakter der Kunst und Gesellschaft Prags war in den letzten Jahrzehnten des 
vorigen und den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts deutsch; gleichwohl brachten 
gerade die deutsch sprechenden Mitglieder der Gesellschaft den Bestrebungen jenes kleinen 
Literatenkreises, welcher das slavische Idiom auch auf der Bühne zur Geltung zu bringen 
suchte, wohlwollende Theilnahme entgegen. 
Schon in den letzten Jahren der Brunian'schen Unternehmung im Kvtzenthcater 
suchte die sinkende Direction durch die Übersetzung eines von dem Regisseur und 
Dramaturgen Karl Krüger verfaßten cinactigen Volksstückes „Herzog Michel" in die 
„böhmische Sprache" unter dem Titel Z<niLe Honrik" ihre wankende Popularität zu 
retten. Aber das Stück war wahrhaft fürchterlich übersetzt; einige Spaßvögel hatten den 
Schauspielern, welche des slavischen Idioms nicht mächtig waren, die bedenklichsten 
Extempores einstudirt und unter Hohngelüchter, Pfeifen und Zischen ging die Vorstellung 
zu Ende. Regelmäßige Vorstellungen in cechoslavischer Sprache wurden erst im „National 
theater" (dem heutigen deutschen Landestheater) eingeführt, als ein Prager Namens Bulla 
(geboren 1754) als Regisseur oder „Director" des Impresario Bondini die deutschen 
Schauspiele leitete. Bulla, der Vater der nachmals berühmten Hofschauspielerin Sophie 
Koberwein, hatte in sein Personal mehrere geborene Böhmen ausgenommen und führte 
mit diesen unter Zuhilfenahme deutscher Kräfte im Winter des Jahres 1785 deutsche 
Stücke in cechoslavischer Sprache auf. Die nachweisbar erste cechische Vorstellung datirt 
vom 20. Januar 1785 und brachte den „Deserteur aus Kindesliebe" von Stephanie dem 
Jüngeren in einer Übersetzung von Karl Bulla, dem Bruder des Directors. Das Häuflein 
von Literaten und nationalgesinnten Männern — man nannte sie „vlnstonei" —, denen 
die Wiederbelebung und Pflege ihrer Volkssprache am Herzen lag, und die breiteren 
Schichten der Bevölkerung, denen die eigentliche Gesellschaftssprache, das Deutsche, nur 
wenig geläufig war, unterstützten das Experiment und noch mehrere Übersetzungen 
(z. B. das Singspiel „Der Bettelstudent", das Trauerspiel „Stefan Fadinger",
	        
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